Tief empfundene Trauermusik

Tod, Trauer, Trost und Hoffnung vereinigen sich in Wort und Musik von Heinrich Schütz‹ Exequien, die zu den bedeutenden Kompositionen der Musikgeschichte gehören. Schütz‹ kultivierter Landesherr Graf Heinrich Posthumus Reuß hatte sein Lebensende und Begräbnis zu Gera in selbst ausgewählten Bibelstellen vorbereitet, die Schütz kunstvoll in Klang umsetzte.
Hier manifestiert sich ebenso wie in der Bildenden Kunst die Vanitas mundi und Präsenz der eigenen Endlichkeit: Die Exequien entstanden mitten im Dreißigjährigen Krieg mit seinen Verheerungen und der Todesnähe auch durch Pestepidemien. Schon von daher hat das in seiner Zeit verwurzelte Schaffen von Schütz - wenn auch indirekt - mit Themen der Gegenwart zu tun.
Eine lange Reihe von Veranstaltungen unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten würdigt Heinrich Schütz an verschiedenen Orten Deutschlands. Gießen trägt mit eigenem Programm dazu bei: Am Sonntag wurde das heimische Heinrich-Schütz-Fest in der Petruskirche eröffnet. Es steht unter dem »Schirm« von Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der sich in seiner Begrüßung als ehemaliger Chorsänger outete und schon als Knaben-Alt mit Schütz‹ Kompositionen in Berührung gekommen war. Mit Ausführungen zu Bedeutung und Vita von Schütz hatte zuvor der Vorsitzende des Ev. Dekanats, Gerhard Schulze-Velmede, Gäste und Mitwirkende begrüßt.
In stimmungsvolles Halbdunkel getaucht war der ovale Kirchenraum; die Musikfreunde im voll besetzten Schiff konnten sich auf die frühbarocke Klangwelt konzentrieren, die unter souverän fließenden Gesten von Marina Sagorski Gestalt annahm. Die Petrus-Kantorin, seit nunmehr elf Jahren mit ihrer Wirkungsstätte, der musikalischen Tradition und dem Potential der Chorsänger vertraut, hatte wie stets sorgfältige Vorarbeit geleistet. Ein ausgewähltes Ensemble von gut 20 Sängern und Sängerinnen, davon sechs Solisten, sowie drei BC-Begleiter gestalteten die »Exequien« abwechslungsreich in farbigen Tonartwechseln und rhythmischer Lebendigkeit. Die Bibelverse und Psalmen wurden zu einem fein ziselierten akustischen Gesamtbild, in dem auch die deutliche Artikulation überzeugte. Fokus auf einige schöne Stellen: das synkopisch schwingende »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt«, wo Sebastian Seibert mit klarem, gut tragenden Tenor aufhorchen ließ. Oder das tröstliche »Weil Du vom Tod erstanden bist«, das der Chor markant vortrug. In Harmonie und Dynamik beeindruckte das Zusammenwirken der Solostimmen in »Herr, ich lasse Dich nicht« mit spannungsvollen auf- und absteigenden Tonfolgen. Hier wirkten Dorothea Pavone und Katharina Jost (Soprane), Pia Lang (Alt) Sebastian Seibert und Christian Nungesser (Tenöre) sowie Malte Domrös (Bass) in exakter Abstimmung im Vordergrund.
Auch der anschließende, in Harmonien kunstvoll verschlungene Chor »Er sprach zu mir« gefiel. Aufgelockert wurden die ineinander übergehenden Teile durch ein Madrigal von Johann Herrmann Schein und zwei Präambeln (an der Truhenorgel immer zuverlässig Frank Scheffler) von Heinrich Scheidemann aus dem zeitlichen Umfeld von Schütz. Für akustische Auflockerung sorgte die räumliche Teilung des Chores im Schlussteil und der himmlisch-dreidimensionale Effekt von der Empore aus zwei Frauen- und einer Männerstimme als Seraphim und Beata anima. Zum nachhaltigen Gesamterlebnis trugen auch Katrin Ziegler (Barockcello) und Mikiya Kaisho (Chitarrone) wesentlich bei.
Olga Lappo-Danilewski
Ein Programmheft für Gießen und Umgebung liegt vor. Der Almanach zum Festjahr unter dem Titel »weil ich lebe« würdigt den Komponisten auf 180 Seiten. (online unter schütz22.de).