Tee, Todesfälle und eine Bombe unterm Auto

Gießen (hin). Er nennt sie liebevoll »Emma«. Emma ist ein Akkordeon, etwa genauso alt wie sein Besitzer Jürgen Haber. Die beiden haben sich einst auf einem Mainzer Flohmarkt gefunden und ziehen seitdem gemeinsam durch das Land. Jetzt waren die beiden bei einer Krimilesung in der Ricker’schen Buchhandlung im Rahmen des Gießener Krimifestivals. Von Buchhändler Ralph Kohlheyer landestypisch umrahmt, trug Haber Ausschnitte aus irischen Kriminalromanen vor.
Für das Publikum gab es Tee und Scones mit Clotted Cream und Marmelade. Die 20 vorhandenen Plätze seien schnell ausverkauft gewesen, berichtete Kohlheyer. Man habe weiteren Interessenten sogar absagen müssen, bedauerte er.
Erfrischender Schreibstil
Mit Songs wie »The Rare Old Times« oder »The Foggy Dew« zeichnete Haber ein Bild vom Leben in Irland und von gesellschaftlichen Veränderungen, bevor er dann mit Textpassagen aus Kriminalromanen die Lust am Weiterlesen weckte. Da war zum Beispiel die Geschichte von der Reisegruppe aus Franken, die bei ihrer Rundfahrt durch Irland mit mysteriösen Todesfällen in Berührung kommt (»Rückkehr nach Irland«, Killen McNeill). Haber betonte die erzählerischen Perspektivwechsel, mal in die späten Fünfzigerjahre führend, mal in die Gegenwart. Ihm gefielen auch die literarischen Anspielungen - wie jene an ein Gedicht von William Butler Yeats. Sein Fazit: »Kein Cosy Crime, aber lesenswert.«
Mit »Mord in Sussex« von John Bude begab sich Haber auf Abwege, denn, wie es der Titel schon sagt, spielt dieser Roman nicht in Irland, sondern in einer Region südlich von London, in den Downs. »Ein klassischer Whodunnit«, wie Haber erläuterte - also ein Krimi, bei dem nach und nach das Verbrechen aufgeklärt und ein Täter ermittelt wird. John Bude war ein Zeitgenosse von Agatha Christie und Dorothy Sayers.
Mit erfrischend saloppem Schreibstil kommen die Bücher von Adrian McKinty daher, vorgestellt am Beispiel von »Dirty Cops«. Der katholische Ermittler Sean Duffy wird in eine protestantische Umgebung versetzt, was im Nordirland der 1980er Jahre kein Vergnügen ist. Bevor Duffy in sein Auto steigt, vergewissert er sich immer, dass keine Bombe darunter liegt. Die Bücher von McKinty gehören zum besten, was der deutsche Krimimarkt derzeit zu bieten habe, meinte Haber. Stefan Nink ist ein Mainzer Autor. Von ihm stand »Treffinger und der Mörder aus der letzten Reihe« auf dem Programm. Die Handlung führt nach Portmagee an der Westküste Irlands und zu einem mysteriösen Geschehen auf der Klosterinsel Skellig Michael. Zurzeit nicht lieferbar ist das Büchlein von Flann O’Brien, mit dem Haber seine Lesung beendete. Es versammelt Kolumnen aus der »Irish Times«, übersetzt von Harry Rowohlt. Es enthält augenzwinkernde Hinweise darauf, wie man ungelesenen Büchern ein »gelesenes« Aussehen verschaffen kann.