„Pizza Wolke“ in Gießen: „Die Pizzeria ist sogar zum Nebenprodukt geworden“

In der Corona-Krise hat der Gießener Shadi Souri ein neues Geschäftsfeld erschlossen. Ab November wird er fast 1000 Supermärkte mit Tiefkühl-Pizza beliefern. Im Ursulum entsteht eine gläserne Pizza-Manufaktur.
Gießen - Der italienische »Guide to the best Pizzerias in the World« hat vor wenigen Wochen ein Restaurant in Paris zur Nummer eins in Europa gekrönt, die »Pizzeria Peppe«. Geführt wird sie vom Neapolitaner Peppe Cutraro. Die beste Pizza Deutschlands gibt es laut der Jury in Fürth. Dort backen Gaspare Squiteri und Matteo Celentano im »Naples Authentic Neapolitan Pizza« eine authentisch-neapolitanische Pizza. Offenbar liegt auch der Gießener Pizzabäcker Shadi Souri mit seiner neapolitanischen Pizza aus der »Pizza Wolke« im Trend. Die Nachfrage nach seinem Produkt ist in der Corona-Krise stets gestiegen. Aus der Idee, die »Pizza Wolke« im Lockdown mit Tiefkühlvarianten seiner Pizzen vor dem Aus zu retten, hat sich ein neues Geschäftsfeld entwickelt. »Die Pizzeria ist sogar zum Nebenprodukt geworden«, sagt Souri. In den letzten acht Monaten hat er eigenen Angaben zufolge fast 190000 Tiefkühlpizzen verkauft.
Das kleine Lokal in der Wolkengasse ist nicht wiederzuerkennen. Im Lockdown hat Souri aus dem Restaurant eine Produktionsstätte für Tiefkühl-Pizzen gemacht. Hier wird nach wie vor der Teig angesetzt und ausgerollt, die Pizzen belegt und gebacken. Neu ist, dass die Margarita aus dem Ofen nicht auf dem Teller landet, sondern im Schockfroster. Im Anschluss wird sie verpackt, vakuumiert und verschickt. 1200 Stück stellt das Team im Moment täglich her. Doch da die Nachfrage steigt, steht im Oktober der Umzug ins Ursulum an. Dort entsteht eine gläserne Pizza-Manufaktur, die Buddy-Fabrik. Der Name ist eine Hommage an Balu, den verstorbenen Hund von Souri. »Er war mein bester Buddy«, sagt der Gastronom. Und sein Buddy war auch dabei, als Souri bei einem Spaziergang im Wald, die Idee zur TK-Pizza kam.
„Pizza Wolke“ in Gießen: Schon 190 000 TK-Pizzen verkauft
Im ersten Lockdown hatte die »Pizza Wolke« Erfolg mit Do-it-yourself-Pizzapaketen. »Die konnten wir auch über größere Entfernungen ausliefern und haben so unseren Kundenkreis erweitert. Familien haben sich damals ja sozusagen neu kennengelernt und auch mal zusammen Pizza gebacken. Mir war aber klar, dass das nicht so weitergehen würde. Deshalb habe ich einen Weg gesucht, auch die fertige Pizza einem größeren Kreis anzubieten. Einfach ausliefern wollte ich nicht, weil die Pizza nach zehn Minuten im Karton nicht schmeckt. Wir hätten nur den Seltersweg beliefern können«, sagt Souri. Er lacht.
Damals nahm er sich eine kreative Pause. Nach vier Tagen überraschte er sein Team mit der Umstellung auf TK-Pizza. Und damit traf Souri den Nerv. Anfangs verkaufte er die Ware in Supermärkten der Region. Dabei habe geholfen, dass die Wolke in der Gegend schon eine Marke gewesen sei. Ab 1. November wird die Pizza aus dem Ursulum in allen rund 600 hessischen Rewe-Märkten erhältlich sein. Seit Mitte August ist sie das bereits in allen rund 300 deutschen Tegut-Märkten. »Wir werden dann 982 Supermärkte beliefern und in der Manufaktur am Tag im Zwei-Schicht-Betrieb von 6 bis 22 Uhr 6000 Pizzen täglich produzieren«, erklärt Souri. Er kann es selbst kaum glauben.
Die Buddy-Fabrik heißt zwar Fabrik, soll aber eine Manufaktur im Stile der 1910er Jahre werden. »Wir automatisieren nur 30 Prozent der Arbeitsschritte, und das erst ab der Verpackungsstation. Es wird zwar Förderbänder geben, um Laufwege zu reduzieren, aber die Herstellung wird von Hand erfolgen«, betont Souri. »Und ganz egal, wie sich alles entwickelt, den Teig werde ich jeden Morgen selbst kontrollieren und auch die Spätschicht am Freitag übernehmen.« Statt Restaurantleiter beschäftige er nun zwar einen Produktionsleiter, statt Küchenchef eine Back-Office-Managerin und auch einen Vertriebler, aber er werde trotzdem immer Pizzabäcker bleiben.
„Pizza Wolke“ in Gießen: Trotz Wachstum Qualität halten
Souri war in Gießen lange als Mensch verschrieen, der gerne provoziert, sich nicht an Regeln hält. Ein Straßenfest in der Johannesstraße eskalierte. Es hagelte Beschwerden von Anwohnern und es gab Ärger mit dem Ordnungsamt. 2018 musste er einen Eingriff am Herzen über sich ergehen lassen. Die Ärzte rieten ihm zum Ausstieg aus der Gastronomie und dem stressigen Leben, das damit verbunden ist. »Ich habe aus der Vergangenheit gelernt«, sagt er heute. Souris Unternehmen soll langsam wachsen. Er hat eine klare Vorstellung und sich starke Partner aus der Stadt an die Seite geholt. »Am Wichtigsten ist mir, dass Wachstum nicht auf Kosten der Qualität geht. Unsere Lieferanten sind Familienbetriebe. Sie müssen unsere Schritte mitgehen können. Was nutzt es, 100000 Pizzen zu produzieren, wenn die Tomaten nicht mehr schmecken. Bei Zutaten werden wir keine Abstriche machen, denn das sind unsere Erfolgsgaranten«, betont Souri.
Das Alleinstellungsmerkmal seiner TK-Pizza ist, dass sie fertiggebacken und schockgefrostet wird. Sie benötigt daher nur eine geringe Zeit im Ofen des Kunden. »Außerdem saugen wir so den Pizzaduft in die Verpackung ein, der kommt dem Kunden beim Öffnen entgegen«, beschreibt Souri einen weiteren Vorzug. Dass kein Unternehmen auf dem Markt der TK-Pizza vor ihm auf diese Idee gekommen ist, kann Souri auch heute noch nicht fassen. Vielleicht sollte er der Jury des »Guides to the best Pizzerias in the World« demnächst eine tiefgekühlte Pizza aus dem Ursulum zustellen. (Marc Schäfer)
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