Streit über Bericht zu Greensill-Skandal
Gießen (mö). Von »Expost-Besserwisserei« hatte die mittlerweile aus dem Amt geschiedene Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) in ihrem letzten Interview zur Kritik an den bei der Greensill-Bank getätigten Geldanlagen in Höhe von zusammen zehn Millionen Euro gesprochen. Eine Sichtweise auf den Skandal um die Bremer Pleite-Bank, die die Opposition im Stadtparlament nicht teilt.
Es werde dem Sachverhalt nicht gerecht, das Thema nach dem Motto »hinterher ist man immer schlauer« abzuhaken, sagte Frank Schuchardt (Gigg/Volt) am Donnerstagabend im Stadtparlament. Mit dem kurzen Bericht des Stadtverordneten Kamyar Mansoori (SPD) endete die Arbeit des Akteneinsichtsausschusses zur Greensill-Affäre, den die Fraktionen im Frühjahr eingesetzt hatten.
Für Unmut bei der Opposition sorgte Berichterstatter Mansoori, weil er nur teilweise eine Stellungnahme der RP-Kommunalaufsicht zu den Gießener Vorgängen um Greensill wiedergab. Der RP hatte im Juli »keinen kommunalaufsichtlichen Handlungsbedarf« gesehen, der Stadt gleichwohl »mangelnde Sorgfalt« beim Abschluss der beiden Festgeldanlagen in Höhe von jeweils fünf Millionen Euro attestiert. Die »mangelnde Sorgfalt« ließ Mansoori unerwähnt.
Die Fehler, die gemacht worden seien, seien »evident«, sagte FDP-Fraktionschef Dominik Erb. Statt an der Aufklärung mitzuwirken, hätten sich die Koalitionsfraktionen aber »kleingemacht«, um die eigenen Hauptamtlichen zu schützen, sagte Erb, der eine »echte Fehlerkultur« vermisst.
Volt-Vertreter Schuchardt sieht an mehreren Stellen Verstöße gegen die städtische Anlagenrichtlinie. Bei einer »tiefergehenden Betrachtung« unter anderem von vorliegenden Warnhinweisen hätte es durchaus zum Verzicht auf die Festgeldanlagen kommen können, im Fall der zweiten sogar kommen »müssen«. Günter Helmchen (Freie Wähler) stellte mit Blick auf die Zinserwartung des Magistrats fest: »Man wollte 7000 Euro verdienen und hat zehn Millionen Euro verloren.« Während Vera Strobel (Grüne) auf die kriminelle Energie verwies, die bei den Greensill-Bankern, die die Insolvenzgefahr vorsätzlich verschleiert hätten, im Spiel war, räumte Christopher Nübel (SPD) ein: »Es ist schiefgegangen, und das ist höchst bedauerlich.«
Aus Sicht von Thiemo Roth (CDU) muss eine Lehre aus Greensill sein, dass sich die interfraktionelle Arbeitsgruppe, die eine neue Richtlinie erarbeiten soll, genaue Gedanken machen müsse. »Dafür sollten wir uns Zeit nehmen.«
Dass die zehn Millionen Euro ganz verloren sind, ist keineswegs sicher. Zuletzt machte Greensill-Insolvenzverwalter Michael Frede Hoffnung, dass auch die geschädigten Kommunen, für die keine Einlagensicherung gilt, einen Teil ihres Geld zurückerhalten.