1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Sozialwohnungen in der Minderheit

Erstellt:

Von: Sebastian Schmidt

Kommentare

oli_wohnbaukc_100323_4c_3
Interessenten für eine Mietswohnung der Wohnbau können sich in der Ludwigstraße beraten lassen. © Oliver Schepp

Die Wohnbau bezeichnet sich als Unternehmen der »sozialen Daseinsvorsorge«. Gleichzeitig machen Sozialwohnungen aber nur ein Viertel der Immobilien aus, die das kommunale Unternehmen besitzt. Wie Wohnbau Geschäftsführerin Dorothee Haberland jedoch erklärt, gibt es viele Menschen, die keinen Anspruch auf Sozialwohnungen haben, aber trotzdem auf günstigen Wohnraum angewiesen sind.

Ein Vater erzählt, dass er mit seiner sechsköpfigen Familie auf gerade einmal 20 Quadratmetern leben muss. Danach meldet sich eine Frau und sagt, dass sie nur ein kleines Zimmer hat und sich dort mit ihren beiden Kindern ein einziges Bett teilt. Als vor Kurzem der Ausländerbeirat tagte, war Thierry Fimmel, Bereichsleiter Kundenservice der Wohnbau Gießen GmbH, eingeladen, um den Anwesenden zu erklären, wie genau der Vergabeprozess des kommunalen Wohnungsunternehmens abläuft. Im Anschluss meldeten sich dann jedoch mehrere Gießenerinnen und Gießener zu Wort und erzählten von ihrer momentanen Wohnsituation. Und sie alle hoffen auf Hilfe durch die Wohnbau. Fimmel sagte: »Bei 3000 Suchenden auf der Warteliste sind viele Schicksale dabei, denen man gerne helfen würde.« So gibt es zum Beispiel Menschen, die in völlig beengten Verhältnissen wohnen oder die dringend eine günstigere Wohnung brauchen. Bereits jetzt wohne jeder sechste Gießener in einer Wohnbauimmobilie - aber die gibt es nicht unbegrenzt.

3000 Menschen auf der Warteliste

Wie Dorothee Haberland, die Geschäftsführerin der Wohnbau, im Gespräch mit dieser Zeitung ergänzte, besitzt das Unternehmen insgesamt 7200 Wohnungen. 1700 davon sind Sozialwohnungen, der Rest ist freifinanziert. Und das Vergabeverfahren für beide Wohnungsarten ist unterschiedlich, erklärte Fimmel. Für Sozialwohnungen gebe es die Vergaberichtlinien der Stadt Gießen. »Und nach denen handeln wir auch.« So müssen Interessenten in der Regel ein Jahr in der Stadt wohnen und einen Wohnberechtigungsschein vorweisen. Den bekommt man zum Beispiel, wenn man Transferleistungen bezieht. Anhand der genauen Lebenslage werde dann eine Dringlichkeit festgestellt, mit der die Person in der Warteliste für Sozialwohnungen eingereiht werde.

Für die freifinanzierten Wohnungen sieht das Verfahren anders aus. Fimmel sagte zum Ablauf dort: »Der wichtigste Punkt ist der Anmeldezeitraum.« Je länger jemand auf der Warteliste stehe, desto eher bekomme die Person eine frei werdende passende Wohnung dann auch vorgeschlagen.

Anmeldezeitpunkt ist entscheidend

Das Verhältnis von Sozialwohnungen zu freifinanzierten deckt sich zum Teil, aber nicht ganz, mit der aktuellen Warteliste der Wohnbau: 1090 Personen haben einen Wohnberechtigungsschein. Die übrigen 2006 Interessenten wollen eine der freifinanzierten Wohnungen haben, wie Haberland erklärte. Während also im Bestand 23 Prozent der Wohnungen sozial gefördert sind, suchen jedoch 35 Prozent der momentanen Interessenten eine Sozialwohnung.

Haberland erklärte dazu aber: »Wir vermieten auch an Menschen mit Wohnberechtigungsschein freifinanzierte Wohnungen.« Die Interessenten müssen sich dazu bei der Wohnbau nicht gesondert anmelden, sondern wenn sie die nötigen Kriterien dazu erfüllen - wie Wartezeit und passende Wohnungsgröße -, bekommen sie ein Mietangebot. Das funktioniere, weil die Wohnbau auch in freifinanzierten Wohnungen einen bezahlbaren Mietzins anbiete.

Für Menschen, die eine Sozialwohnung suchen, ist das zwar ein Trostpflaster, stärker würden sie jedoch profitieren, wenn die Anzahl der nur für sie reservierten sozial geförderten Wohnungen größer wäre. Und daran arbeitet die Wohnbau. Wie Haberland erklärte: »Wenn wir gerade bauen, dann bauen wir ausschließlich Sozialwohnungen.« Das betrifft die Bauprojekte am Stolzenmorgen (39 Wohnungen), der Weserstraße (40) und auf der Philosophenhöhe (90).

Das größere Angebot an freifinanzierten Wohnungen widerspreche auch nicht dem Selbstverständnis der Wohnbau GmbH als Unternehmen der »sozialen Daseinsvorsorge«. Geschäftsführerin Haberland sagte: »Es gibt in Gießen viele Menschen mit geringen Einkommen, die keine Transferleistungen beziehen, aber bei einem Wohnungsmarkt mit Mieten von mehr als 10 Euro pro Quadratmeter auf günstigen Wohnraum angewiesen sind.« Und auch für diese Menschen müsse es sozial-verantwortbaren Wohnraum geben.

Auch interessant

Kommentare