So kann es nicht bleiben

In einem Workshop haben Anwohner und Mitglieder des Allendorfer Ortsbeirats über die Zukunft der Kleinlindener Straße diskutiert. Die Meinungen gehen zwar zum Teil auseinander, aber einig sind sich die Teilnehmer am Ende in einer Sache: Der Status quo ist keine Lösung.
Man kann komplizierte Beteiligungsverfahren ins Leben rufen, mit Satzungen und allem Drum und Dran. Man kann sich aber auch auf dem Hof eines Einfamilienhauses am Ort des Geschehens treffen, alle Interessierten vorher einladen und dann diskutieren: Bürgerbeteiligung kann manchmal so einfach sein. Klar, Allendorf ist nicht die Kernstadt. Aber der von der Stadtteil-SPD organisierte Workshop lud am Mittwochabend Betroffene und Interessierte niedrigschwellig ein, über die Zukunft der Kleinlindener Straße zu sprechen. Denn die ist vielen ein Dorn im Auge: Zu viele Fahrzeuge sind zu schnell unterwegs, so der Tenor der Anwohner. Und: Der Schwerlastverkehr hat zugenommen. Die Teilnehmer der Veranstaltung sind sich einig, dass dies so auf keinen Fall bleiben kann.
Hausbesuche in Wahlkämpfen werden manchmal als Show-Veranstaltung belächelt. Dabei ergibt sich für Politiker die Möglichkeit, zu erfahren, wo bei den Menschen der Schuh drückt. Als Frank-Tilo Becher im vergangenen Jahr mit den Allendorfer Genossen im Gießener Stadtteil von Haus zu Haus ging, gab es in der Kleinlindener Straße vor allem ein Thema: die Kleinlindener Straße. »Wir haben damals festgestellt, dass dringender Beratungsbedarf besteht«, sagt Ortsvorsteher Thomas Euler. Ein Dreivierteljahr nach dem Haustürwahlkampf folgt deshalb dieser Workshop mit rund 25 Teilnehmern.
Euler will den Planern der Kleinlindener Straße aus den 70er Jahren keinen Vorwurf machen, dass die Straße so ist, wie sie ist: breit, abschüssig und gerade - und damit vor allem autogerecht. Bis in die 1950er Jahre waren die ersten Häuser der heutigen Kleinlindener Straße die Verlängerung der Untergasse. Der steile Anstieg vor dem heutigen Kindergarten wurde im Volksmund »der Boddem« genannt. Dem schloss sich der Feldweg »Gießer Weg« in Richtung Kleinlinden an. 1969 entstand das Neubaugebiet »Gießer Weg« mit der Kleinlindener Straße, Am Gallichten, Am Zehntfrei und Am Kasimir. Der bisherige Feldweg zur Kleinlindener Straße wurde bis zum Ortsende ausgebaut, das erste Jahr noch als Schotterstraße, dann mit einer Asphaltdecke. Die Straße endete am Ortsausgang. Als Allendorf im Oktober 1971 zur Stadt Gießen kam und eine Busanbindung für 1972 versprochen wurde, wurde ein nach Kleinlinden zur Brüder-Grimm-Schule führender Feldweg einspurig asphaltiert - befahrbar nur für Busse. Die Straße nach Gießen, die heutige Allendorfer Straße, wurde erst 1978 gebaut. Ende der 1980er Jahre setzte der Ortsbeirat eine Einengung am Ortseingang durch, die die Geschwindigkeit herausnehmen sollte. Diese wurde 2014 beseitigt, als das Neubaugebiet »Ehrsamer Weg« kam, denn dann entstand dort der Kreisverkehr. Der Radfahrstreifen als Suggestivstreifen entstand in den 1990er Jahren. Tempo 50 in der Allendorfer Straße und der feste Blitzer vor dem Kindergarten kamen erst vor einigen Jahren hinzu. Der entpuppe sich als »wahre Goldgrube«, sagt Euler mit Blick auf die hohe Zahl der Verstöße gegen die dort geltende Geschwindigkeitsbegrenzung.
Mehrheit für
Grundsanierung
Um ein Stimmungsbild zu schaffen, schreiben die Teilnehmer des Workshops ihre Wünsche und Forderungen auf Karteikarten; diese werden dann sortiert und diskutiert. Die Grundsatzforderungen, auf die sich die meisten einigen können: eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30, kein Transit-Schwerverkehr, mehr Geschwindigkeitskontrollen und der Erhalt der Bustaktung - gegebenenfalls mit dem Einsatz kleinerer Busse.
Bei der Abstimmung spricht sich keiner der Teilnehmer für den Status quo aus. Eine reine Oberflächensanierung findet nur wenige Befürworter. Das Gros der Diskutanten ist für eine grundhafte Sanierung. In diesem Zuge soll es nach dem Willen der Befragten keine Fahrbahnschwellen geben. Die Bäume entlang der Straße sollen erhalten oder sogar durch weitere Pflanzungen erweitert werden. Gewünscht werden mehrheitlich wechselseitige Parkplatzmarkierungen auf der Fahrbahn im unteren Bereich der Kleinlindener Straße, um so eine Temporeduzierung zu erreichen. Erhalten bleiben sollen die Parkplätze im oberen Bereich der Kleinlindener Straße. Gefordert wird zudem ein breiter Radwegstreifen im oberen Bereich auf der Berganstiegsseite sowie die Verlegung der Bushaltestelle »Am Zehntfrei« nach Gießen/Rödgen in Richtung der Straße Am Zehntfrei. Mehrheitlich sprechen sich die Teilnehmer außerdem für eine Querungshilfe zum Stichweg zum Kindergarten aus.
Wünsche und Forderung zu haben, ist gut und wichtig. Klar muss aber auch sein: Das Ergebnis des Workshops will die Allendorfer SPD zuerst in Form eines Antrags in den Ortsbeirat einbringen. Und dessen Beschlüsse sind in etwa so bindend für die Stadt wie eine E-Mail eines Bürgers. Aber: Es wäre nicht das erste Projekt, das in dem Gremium angestoßen wurde und am Ende nach hartnäckigem Nachfragen umgesetzt wird. Euler jedenfalls zeigt sich optimistisch: Bis 2026 sei er noch Ortsvorsteher. Bis dahin, hofft er, werde es den Spatenstich für den Umbau geben.