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Gießen: Massiver Umsatz-Einbruch im Seltersweg - Neuer Eigentümer für Ex-„The Sting“

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Von: Christoph Hoffmann

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Händler im Seltersweg Gießen schlagen Alarm.
Händler im Seltersweg Gießen schlagen Alarm. © Red

Für die Geschäftsleute in der Fußgängerzone Seltersweg in Gießen ist die Corona-Pandemie existenzbedrohend. Weil die Umsätze einbrechen, schlagen die Händler Alarm.

Gießen - Markus Pfeffer stand kürzlich mit einem großen weißen Reflektorschirm in der Fußgängerzone. Der Geschäftsführer des BID Seltersweg assistierte der Fotografin Meike Dietz dabei, ansprechende Bilder der heimischen Geschäftsleute zu machen. Das Ergebnis ist nun in den sozialen Medien zu sehen. Unter den Hashtags #wirbraucheneuch und #offenetür zeigen 67 Händler, dass sie wieder da sind - und Unterstützung brauchen. Denn, so Pfeffer: »Wir haben in der Innenstadt ein massives Problem.«

Es gibt wenige Corona-Gewinner, dafür umso mehr Verlierer. Der stationäre Einzelhandel gehört zur letztgenannten Gruppe. Wochenlang mussten die Geschäfte geschlossen bleiben. Die langersehnte Wiedereröffnung war wegen der Hygienevorgaben mit einem erheblichen (Kosten)Aufwand verbunden. Und jetzt? Bleiben die Kunden aus.

Seltersweg Gießen: Umsatz um die Hälfte eingebrochen

»Die Kundenfrequenz liegt im Vergleich zum Vorjahr bei nur 60 Prozent«, sagt Pfeffer. Ein zweiter, für die Geschäftsleute weitaus wichtigerer Wert sei noch niederschmetternder. Laut Pfeffer beträgt der Umsatz im Juli 2020 nur 45 Prozent dessen aus dem Vorjahr. Der BID-Sprecher betont: »Der stationäre Einzelhandel ist schwer gebeutelt.« Und Pfeffer weiß auch, wer der Profiteur dieser Misere ist.

Die deutschlandweiten Umsätze im Onlinehandel stiegen von April bis Juni im Vergleich zum Vorjahr um 16,5 Prozent auf über 20 Milliarden Euro. Die Nachfrage nach Gütern des täglichen Bedarfs wuchs dabei um 51,2 Prozent. Der Onlinehandel mit Lebensmitteln nahm sogar um fast 90 Prozent zu. Das geht aus einer Studie des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland hervor.

»Wir haben durch Corona viele Kunden an den Onlinehandel verloren. Die Menschen hatten ja keine Alternative«, sagt BID-Sprecher Pfeffer. Durch die aktuelle Social-Media-Kampagne versuche der Interessenverband nun, einige der an das Internet verloren gegangenen Kunden wieder zurückzugewinnen.

Ein paar nette Fotos, die die Licher Fotografin Meike Dietz für den guten Zweck aufgenommen hat - der BID wird im Gegenzug 2000 Euro an die Grashüpfer-Stiftung überweisen -, werden aber nicht reichen. Das weiß auch Pfeffer. Er erhofft sich daher auch ein stärkeres Engagement der Stadt. »Andere Kommunen erlassen zum Beispiel die Parkgebühren, um den Handel anzukurbeln. Marburg hat hingegen jedem Bürger Gutscheine geschenkt, die ausschließlich in lokalen Geschäften eingelöst werden dürfen.«

Seltersweg Gießen: Neuer Eigentümer für »The Sting«

Vergleichbare Aktionen seien auch in Gießen sinnvoll, meint Pfeffer, schließlich sei der Seltersweg die »Hauptschlagader« der Stadt. Eine Verödung würde daher nicht nur die Lebensqualität mindern, sondern auch etliche Arbeitsplätze gefährden. Laut Pfeffer arbeiten alleine in der Fußgängerzone über 1500 Menschen. Der BID-Geschäftsführer plädiert daher dafür, den Einkauf in der Gießener Innenstadt attraktiver zu gestalten - auch für Menschen aus dem Umland. Ein übersichtlicheres Verkehrsleitsystem etwa oder die Bezahlung von Parktickets per Handy seien mögliche Schritte. Eine verlässliche Regelung für verkaufsoffene Sonntage sei ebenfalls wünschenswert. Außerdem spricht sich Pfeffer dafür aus, bei den vielen umweltpolitischen Maßnahmen nicht den Handel zu vergessen. Sprich: Keine Parkplätze in der Innenstadt zu streichen. »Der Onlinehandel mit seinem vielen Anlieferungen ist für das Klima viel schädlicher als der stationäre Einzelhandel.«

Es wäre zu einfach, die Probleme des Einzelhandels allein mit Corona erklären zu wollen. Schon seit Jahren nehmen Leerstände und Geschäftsschließungen zu, alteingesessene Anbieter werden durch Ein-Euro-Läden, Bäckereifilialen und Handyshops ersetzt. Der Seltersweg steht im Vergleich zu vielen anderen Städten noch gut da. Aber auch hier sind prestigeträchtige Geschäfte schon länger verwaist. Peek+Cloppenburg zum Beispiel, oder, noch länger, »The Sting«. Bei letzterem gibt es aber zumindest Neuigkeiten. »Die ehemalige Sting-Fläche hat einen neuen Eigentümer«, sagt Pfeffer. Um wen es sich handelt, wisse er aber nicht.

Ein Gesicht mehr also, das der Interessenverband bald fotografieren kann. In der Hoffnung, dass diese #offeneTür dieses Mal länger offen steht.

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