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Schneckentempo bei der Schiene

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Von: Burkhard Möller

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Fahrgäste warten am Bahnhaltepunkt Licher Straße auf einen Zug, der sie innerhalb weniger Minuten zum Bahnhof bringt. So wird die Vogelsbergbahn auf den letzten Kilometern quasi zu einer innerstädtischen S-Bahn. © Oliver Schepp

Gießen (mö). Es ist auch schon wieder fünf Jahre her, da wurde eine Abteilungsleiterin aus dem hessischen Umweltministerium bei einer Bürgerversammlung in Gießen zum Thema Umwelt und Verkehr deutlich: »Niemand steigt vom Auto auf den Bus um, wenn der dann auch im Stau steht. Spürbare Umsteigeeffekte sind im Grunde nur durch eine Förderung des Schienennahverkehrs zu erzielen.

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Fünf Jahre später kann man in Gießen zwar auf viele Diskussionen, Anstöße von außen und politische Beschlüsse zurückblicken, aber der Fortschritt auf Gleisen ist eine Schnecke. Das zeigen einmal mehr die Antworten des Magistrats auf Fragen der Fraktion Gigg/Volt zum Thema »Verbesserung des schienengebundenen ÖPNV«. Es wird geprüft und untersucht, aber Projekte wie die Schaffung neuer Bahnhaltepunkte im Stadtgebiet, deren Vernetzung zu einer Vorortbahn, der zweigleisige Ausbau der Vogelsbergbahn oder gar die Planung einer innerstädtischen Straßenbahn erscheinen Lichtjahre entfernt.

Das gilt auch für das wohl noch realistischste Vorhaben, die Errichtung zusätzlicher Bahnhaltepunkte im Stadtgebiet, um den regionalen Zugverkehr innerstädtisch quasi wie eine S-Bahn zu nutzen. Immerhin sechs mögliche Standorte an der Vogels- und Main-Weser-Bahn werden in einer gemeinsamen Studie der Stadt Gießen und des Rhein-Main-Verkehrsverbunds untersucht. Auf die Anmeldung einiger dieser Haltepunkte zum neuen regionalen Nahverkehrsplan hat der RMV allerdings »zurückhaltend« reagiert, erklärt Bürgermeister und Verkehrsdezernent Alexander Wright (Grüne) gegenüber dem Gigg/Volt-Stadtverordneten Finn Becker. Trotz der Zurückhaltung des RMV werde die Stadt das Projekt »Vorortbahn« weiterverfolgen und im Rahmen des eigenen Verkehrsentwicklungsplans »weitergehend untersuchen«. Die Ergebnisse der gemeinsamen Studie mit dem RMV könnten wohl »in absehbarer Zeit« veröffentlicht werden.

Welches Potenzial die Schiene auch für den Verkehr in der kleinen Großstadt Gießen hat, lässt sich bislang an den Bahnhaltepunkten Licher Straße und Oswaldsgarten beobachten. Hier wird die Bahn zwischen Licher Straße bzw. Oswaldsgarten und dem Bahnhof als schnelle Verbindung und Alternative zum deutlich langsameren Stadtbus durchaus rege genutzt.

Zu den genannten Haltepunkten sowie dem Erdkauter Weg kämen nach Vorstellungen der Stadt die Gleisgabel Aulweg/Ebelstraße, »Gießen-Nord«, »Marshallsiedlung«, »US-Depot«, »Rödgen« und »Kleinlinden« hinzu. Verworfen hat der Magistrat einen Haltepunkt am Gewerbegebiet Europaviertel, das aber laut Wright besser an den Bus angebunden werden soll.

Wie langsam die Mühlen bei diesem Thema mahlen, zeigt die Tatsache, dass das Stadtparlament angesichts der rasanten Entwicklung im US-Depot bereits Mitte 2018 einen Beschluss für einen Bahnhaltepunkt am Gewerbegebiet Alter Flughafen gefasst hatte. Passiert war bis zur Anmeldung der genannten Standorte beim RMV im vergangenen Jahr, darunter das US-Depot, nichts.

Daran dürfte sich auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren wenig ändern. Vier der sechs Standorte liegen nämlich an der nur eingleisigen Vogelsbergbahn. Der Fahrgastverband ProBahn und die Politik sind sich einig, dass im Interesse der Attraktivität der Bahnverbindung Gießen-Fulda die Errichtung neuer Haltepunkte erst zu rechtfertigen ist, wenn es zu einer Modernisierung und mindestens abschnittsweise zu einem zweigleisigen Ausbau gekommen ist. Den wollen alle Anliegerkommunen und haben den RMV laut Wright mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. »Die Erarbeitung dieser Studie wird aufgrund der Komplexität mehrere Jahre in Anspruch nehmen«, erklärt der Bürgermeister.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nicht nur die Stadt Gießen zusätzliche Haltepunkte will, sondern andere Kommunen auch. Allein die Stadt Fulda will drei zusätzliche im Rahmen einer Stadtbahn-Konzeption errichten, im heimischen Raum haben Buseck (Industriegebiet) und Reiskirchen (Lindenstruth) den Finger gehoben.

Straßenbahn kein Thema

Keine Chance sehe der RMV dagegen für einen zweigleisigen Ausbau der Lahn-Kinzig-Bahn Gießen-Gelnhausen. Grund laut Wright: Das zu geringe Fahrgastaufkommen.

Schlecht sieht es auch für die von Verkehrswende-Gruppen gepushte Straßenbahn aus. Im Gespräch war unter anderem eine West-Ost-Linie bis zum früheren US-Depot. In diesem Zusammenhang fragt der Stadtverordnete Becker nach dem Stand der Planung für den Umbau der unteren Grünberger Straße zwischen Licher Gabel und Berliner Platz. »Schienengebundene Verkehrswege« seien bei der Planung nicht berücksichtigt worden, antwortet Wright.

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