Rücktritt bei Gender Studies
Die Arbeitsstelle Frauen- und Geschlechterforschung an der Justus-Liebig-Universität ist verwaist – und kaum einer merkt es. Denn ihre Aktivitäten waren wenig bekannt außerhalb der JLU-Politikwissenschaft, geschweige denn in der Öffentlichkeit. Genau das haben vier externe Gutachter in einer Evaluation bemängelt. Mit der Auswahl und dem Vorgehen dieser Experten war das Team um Prof. Barbara Holland-Cunz nicht einverstanden und trat im Herbst geschlossen zurück.
Die Arbeitsstelle Frauen- und Geschlechterforschung an der Justus-Liebig-Universität ist verwaist – und kaum einer merkt es. Denn ihre Aktivitäten waren wenig bekannt außerhalb der JLU-Politikwissenschaft, geschweige denn in der Öffentlichkeit. Genau das haben vier externe Gutachter in einer Evaluation bemängelt. Mit der Auswahl und dem Vorgehen dieser Experten war das Team um Prof. Barbara Holland-Cunz nicht einverstanden und trat im Herbst geschlossen zurück.
»Überrascht« war Uni-Präsident Prof. Joybrato Mukherjee von dieser Reaktion und betont: »Es steht überhaupt nicht zur Debatte, die Gender Studies zu beenden.« Eine Neukonzeption sei nötig, ein Ausbau denkbar. Dr. Nadyne Stritzke, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Uni, die früher selbst an der Arbeitsstelle tätig war, nennt den Rücktritt »irritierend«.
Vor allem zwei Kritikpunkte der vier Gutachter deutete Mukherjee in einem Pressegespräch an. Zum einen habe es eine »zu starke Einengung auf Politikwissenschaft« gegeben. »Viele interessierte Wissenschaftler haben den Anschluss nicht gefunden.« Die Arbeitsstelle sei als Plattform für alle Fächer gedacht gewesen; künftig sollten »mehr interdisziplinäre Brücken gebaut« werden. Zum anderen habe es an »öffentlicher Sichtbarkeit« gemangelt. Auch die geringe Einwerbung von Drittmitteln spiele eine Rolle, offenbare sie doch, ob man externe Gutachter von Forschungsprojekten überzeugen kann. Den Nachbesserungsbedarf zeige der Vergleich zu den Geschlechterforscherinnen an anderen Universitäten.
Zweite Professur in Planung
Fazit der Gutachter: Die Struktur der Arbeitsstelle sei »weder geeignet noch entsprechend anpassbar, um die Forschungsleistung in mittelbarer Zukunft erkennbar zu steigern«. Sie sei »als Organisationseinheit von außen kaum wahrnehmbar«. Daher werde ein Neustart empfohlen.
Für die Justus-Liebig-Universität seien Gender Studies »ein Forschungsgebiet wie jedes andere. So behandeln wir es auch, ohne einen Schutzzaun zu bauen.« Das bringe regelmäßige Überprüfungen durch Fachleute von außen mit sich. Die Hochschulleitung müsse sich nicht alle Aussagen von Gutachtern »zu eigen machen«, doch im aktuellen Fall seien die Kernaussagen »für uns handlungsleitend«. Holland-Cunz kritisiere nun vor allem formale Fragen, meint Mukherjee: »Für mich sind das Nebenkriegsschauplätze.« Es gehe nicht um eine »ideologische Positionierung«, sondern um bewährte Kriterien. Stritzke wundert sich über den Rückzug »in dem Moment, in dem man sich über Inhalte auseinandersetzen« sollte. Sie habe die Arbeitsstelle als »exklusiv« empfunden, also als ausschließend.
»Geschlechterforschung hat einen festen Platz an unserer Universität«, unterstreicht der Präsident. Es gebe Bedarf und Interesse in vielen Fachbereichen. Eine Stärkung des Bereichs stehe unmittelbar bevor: Holland-Cunz’ Professur gehöre zu denjenigen, die für eine »vorgezogene Nachfolge« ausgewählt wurden. Mit diesem Programm besetzt die JLU bis zu vier Jahre vor dem Ruhestand eines Professors die Stelle doppelt. Das Besetzungsverfahren laufe derzeit.
Auch organisatorisch sei eine Ausweitung möglich, so Mukherjee. Es solle geprüft werden, ob die Organisationsform Arbeitsstelle oder ein größeres Zentrum angemessen sei. Derzeit gebe es keine Kürzungen. »Die Mittel stehen nach wie vor zur Verfügung.«
Von den bisherigen Mitarbeiterinnen hat keine ihren Job verloren. Sie waren der Arbeitsstelle anteilig zugeordnet und sind jetzt zurückgekehrt auf ihre festen Stellen. Auf das Lehrangebot habe der Rücktritt ebenfalls keine Auswirkungen. Es gebe nach wie vor eine Reihe von Veranstaltungen zu Gender Studies im regulären Angebot.
Das Aus der Arbeitsstelle in ihrer bisherigen Form war Thema im Hochschulrat und wird in der nächsten Senatssitzung am 7. Februar erörtert. Bis 21. Februar sei das Präsidium vorrangig mit der Exzellenzstrategie befasst, so Mukherjee. Danach werde es zügig Gespräche führen mit interessierten Wissenschaftlern – auch mit den bisherigen Protagonistinnen. Bei einem Erfolg versprechenden Konzept und einer plausiblen Meilensteinplanung sei das Präsidium »selbstverständlich bereit, angemessene Mittel für den Neustart zur Verfügung zu stellen«.