Lokalstar Rudi Haßler: Er kämpft mit dem Schicksal und liebt den Fußball

Sein Leben ist bewegend – mit Höhen und Tiefen kämpft Lokalfußballstar Rudi Haßler, doch heute ist er trotz aller Verluste glücklich.
Gießen – Rudi Haßler ist eine Ikone der heimischen Sportplätze. Vor dem Tor schien ihm fast alles zu glücken. Abseits des Spielfeldes hatte er hingegen mit schweren Zeiten und Schicksalsschlägen zu kämpfen. Aus der Bahn geworfen hat ihn das jedoch nicht. Zu verdanken hat er das nicht zuletzt seinen Großeltern.
Rudi Haßler sitzt im schicken blauen Anzug im Besprechungsraum des Finanzdienstleisters Mercatus. Auf der anderen Straßenseite fließt die Lahn entlang, dahinter ragt der Turm des alten Schlachthofs empor. „Da hinten bin ich aufgewachsen“, sagt der unabhängige Finanzberater beim Blick über den Fluss. Vor allem das Kicken hat er in der Weststadt gelernt. Darüber hinaus aber auch die ein oder andere Weisheit fürs Leben.
Der Name Haßler ist in der Region untrennbar mit dem Fußball verbunden. Rudi Haßler hat jahrelang vor allem für den VfB Gießen und den TSV Großen-Linden gespielt und dabei unzählige Tore erzielt. Nicht wenige sagen, er hätte auch in höheren Ligen Erfolge feiern können. Eine Anfrage vom Bundesligisten Eintracht Frankfurt ist Beweis genug dafür. „Ich habe mir aber selbst Steine in den Weg gelegt“, sagt der 46-Jährige, der den verpassten Möglichkeiten jedoch nicht hinterhertrauert. „Ich bin stolz, ein Gießener zu sein, und froh, dass ich hier geblieben bin.“
Lebt heute gern in Gießen: Fußballstar Haßler wuchs bei der Großmutter auf
Haßlers Mutter war noch sehr jung, als sie ihren Sohn bekam. „Mein Vater war amerikanischer GI und musste wieder zurück in die USA. Meine Mutter wollte aber nicht mit.“ Das Leben als Alleinerziehende habe seine Mutter schnell überfordert, sagt Haßler. Eines Tages, als die Oma die beiden besuchte und sah, dass das Kind in diesen Verhältnissen nicht aufwachsen konnte, nahm sie Rudi mit zu sich. „Es sollte nur für vier Wochen sein“, sagt Haßler. Es wurde eine ganze Jugend.
Haßler ist in der Hardtallee großgeworden, im Herzen der Weststadt. „Ich hatte eine interessante, lustige und spannende Kindheit“, sagt Haßler vielsagend und spricht von kuriosen Charakteren, die seinen Alltag geprägt hätten. Die Weststadt hatte ihren Ruf nicht zu Unrecht, gerade rund um die Gummiinsel musste man sich durchsetzen können.
Rudi Haßler ist jedoch nicht auf die schiefe Bahn geraten. Sein Großvater habe daran entscheidenden Anteil gehabt, sagt der 46-Jährige. „Er war sehr liebevoll, aber gleichzeitig ein Mann der alten Schule. Er hat mir sehr früh zu verstehen gegeben, dass ich bestimmte Kreise besser meiden sollte.“ Daran habe er sich gehalten – und so vor brenzligen Situation rechtzeitig den Absprung geschafft.
Laufbahn begann beim VfB Gießen: Lokal-Legende Haßler kam durch den Opa zum Sport
Alte Weggefährten können sich noch erinnern, wie Haßlers Großvater Otto Frank den Enkel auf die Sportplätze der Region begleitete. Fußball war damals zentraler Lebensinhalt der beiden. „Kein Wunder, mein Großvater war schließlich Vorsitzender beim ASV Gießen.“ Als Kind turnte Haßler daher ebenfalls auf dem Gelände des Kultvereins aus der Weststadt herum, er selbst begann seine Laufbahn jedoch beim VfB.
Haßler ist ein offener Mensch. Er muss nicht lange überlegen, bevor er auf Fragen antwortet, und scheut auch nicht davor, die schwierigen Phasen seines Lebens anzusprechen. Zum Beispiel, dass seine Mutter, mit der er nach der Inobhutnahme durch seine Großeltern ein gutes Verhältnis pflegte, viel zu jung gestorben ist. Das gleiche gilt für ihren Mann, Haßlers Stiefvater. Und auch das Schicksal des leiblichen Vaters hat den Gießener viele Jahre lang beschäftigt.
Kein Happy End für Haßlers Familiengeschichte: Der Vater des Gießeners stirbt früh
Die in Gießen stationierten GIs hatten nicht nur auf die Kultur der Stadt, sondern auch auf das Leben der Menschen einen großen Einfluss. Haßlers Mutter ist nicht die einzige Gießenerin, die ein Kind eines amerikanischen Soldaten gebar. Manche Väter blieben, viele gingen zurück in die Heimat.
„Mir wurde immer das Gefühl vermittelt, dass mein Vater sich nicht für mich interessiert“, erzählt Haßler. Das habe dazu geführt, dass auch er kein gesteigertes Interesse an seinem Erzeuger entwickelte. Erst viel später, im Erwachsenenalter, sollte sich das ändern. Auf Initiative seiner Freunde beschäftigte sich der Gießener erstmals tiefergehend mit seinen Wurzeln. „Ich habe angefangen, mit meiner Mutter darüber zu sprechen. Aber bevor ich viel herausfinden konnte, ist sie leider gestorben.“
Es hätte das Ende seiner Suche sein können. Doch dann erhielt Haßler eine Nachricht aus den Sozialen Medien. „Sie war vom Cousin meines Vaters. Er erzählte mir, dass er jahrelang nach mir gesucht hatte.“ Die Nachricht zog Haßler den Boden unter den Füßen weg, zumal sie auch ein Video enthielt. Der darin gezeigte Mann sah genauso aus wie er, nur etwa 20 Jahre älter. Ein Happy End hat die Geschichte leider nicht. Die Mail des Cousins enthielt auch die Nachricht, dass Haßlers Vater bereits verstorben war.
Der Großvater zog ihn groß: Fußballstar Haßler verdankt ihm eine gute Karriere
„Das ist eine bittere Geschichte für mich“, sagt der Gießener. „Ich habe es lange bereut, nicht früher den Kontakt gesucht zu haben.“ Er habe daraus aber auch etwas fürs Leben gelernt: „Man sollte wichtige Angelegenheiten nicht auf die lange Bank schieben. Wer weiß, wie lange man die Chance dazu hat.“
Das Aufwachsen ohne Vater hat die Beziehung zu seinem Opa intensiviert. Er hat ihm nicht nur den Fußball nahe gebracht und ihn das eine oder andere Mal vor Schwierigkeiten bewahrt, sondern dank seiner guten Kontakte auch eine Stelle bei den Stadtwerken verschafft. Haßler ging beim Energiedienstleiter als Industriekaufmann in die Lehre.
Später arbeitete er viele Jahre in Linden für einen Großhändler für Arzt- und Krankenhausbedarf. Vor einigen Jahren sattelte er dann zum unabhängigen Finanzberater und Versicherungsfachmann um, als selbstständiger Berater ist er für das Unternehmen Mercatus in der Lahnstraße tätig. „Ein toller Job, ich bin sehr glücklich“, sagt Haßler.
Glück in Gießen gefunden: Rudi Haßler ist heute Vater einer Tochter
Das liegt auch an seinem Privatleben. Wobei der 46-Jährige auch in seinen Beziehungen nicht immer Glück hatte. Seine Ehe mit seiner langjährigen Lebensgefährtin hielt nicht. „Wir waren zwölf Jahre lang zusammen. Leider haben wir uns währenddessen ein wenig aus den Augen verloren.“ Dass Haßler trotzdem glücklich ist, liegt an seiner neuen Partnerin Stefanie Bellof – und der gemeinsamen Tochter Ruby, die Anfang des Jahres das Licht der Welt erblickt hat. „Die beiden sind mein großes Glück“, sagt der Vater lächelnd.
Haßler hat viele schwere Zeiten durchlebt. Dazu gehört auch der Tod seiner Großeltern Otto und Anneliese „Blümchen“ Frank. Trotzdem wirkt der Gießener wie ein positiver Mensch, dem die Schicksalsschläge nicht nachhaltig vergrämt haben. „Ja, das ist auch so“, sagt Haßler. „Natürlich gibt es Phasen, in denen man die Welt verflucht. Aber der Tod oder das Scheitern einer Ehe sind nun mal Dinge, die im Leben passieren.“ Haßler überlegt einen Moment, bevor er sagt: „Mir geht es sehr gut. Ich versuche, jeden Tag zu einem guten Tag zu machen.“
2017 wurde erstmals der deutsche Ü40-Pokal auf Großfeld ausgespielt, mit von der Partie war auch die SG Gießen/Großen-Linden und Rudi Haßler.