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Reste der Festung Gießen tauchen bei Bauarbeiten in Innenstadt auf

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Von: Burkhard Möller

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Die Mauer ist vermutlich Bestandteil des im 16. Jahrhundert entstandenen Festungswerks. © Oliver Schepp

Der Anblick immer etwas Besonderes: Auch auf der Samen-Hahn-Baustelle im Reichensand sind Reste der Gießener Stadtbefestigung aufgetaucht. Das Bollwerk könnte an die 500 Jahre alt sein.

Gießen – Die Angst vor einem großen Krieg in Mitteleuropa ist seit Ende Februar zurück. In früheren Jahrhunderten war sie immer da. Im Gießener Stadtbild zeugen Spitzbunker von den Schrecken des 20. Jahrhunderts. An anderen Stellen schlummert die kriegerische Vergangenheit im feuchten Erdreich der Innenstadt. Die massive Mauer, die seit einigen Wochen auf der Samen-Hahn-Baustelle im Reichensand von Archäologen freigelegt wird, stammt vermutlich aus der Mitte des von Kriegen geprägten 16. Jahrhunderts. 100 Jahre später sollte die Apokalypse des 30-jährigen Krieges folgen.

Dass Gießen vor rund 500 Jahren vom protestantischen Landgraf Philipp I., auch »der Großmütige« genannt, zu einer modernen Festung ausgebaut wurde, um die katholische Gegenreformation abzuwehren, ist einer breiteren Gießener Öffentlichkeit erst seit wenigen Jahren bekannt, als auf zwei Baustellen in der Schanzenstraße und in der Neustadt Reste des Bollwerks auftauchten. »Nach aktuellem Kenntnisstand wurde jetzt wieder die frühmoderne Festungsmauer Gießens freigelegt«, erklärt Stadtsprecherin Claudia Boje in einer ersten Einschätzung zu dem aktuellen Fund.

Gießen: Festung als Bollwerk gegen den Kaiser

Ab etwa 1530 hatte der hessische Landesherr Philipp die Stadt zur Festung ausbauen lassen. Gießen wurde zum militärischen Sicherheitsbereich erklärt, ohne dass die Bewohner gefragt wurden. 1547 wurden die Festungsmauern auf Befehl des katholischen Kaisers abgetragen und ab 1560 wieder errichtet.

Für die Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege, den neuen Stadtarchäologen Björn Keiner und auch Bauherr Karim Shobeiri kommt der Fund nicht überraschend. »Der Verlauf der Festungsmauer ist in groben Zügen bekannt. Daher waren von Beginn an Archäologen vor Ort«, sagt Boje. Auch der Bauherr sei bereits im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens über »die hohe Wahrscheinlichkeit« stadtgeschichtlicher Funde informiert worden.

Das bestätigt Shobeiris Architekt Björn Trieschmann: »Baufirma und Archäologen arbeiten Hand in Hand.« Trieschmann hatte mit Blick auf die Funde in der Schanzenstraße bereits mit altem Mauerwerk im vorderen Teil der Baustelle gerechnet, wo eine tiefe Baugrube für die Tiefgarage entstanden ist. Dort indes fand sich nichts. »Sieht fast so aus, dass die Festungsmauer hier einen Knick gemacht hat«, meint der Architekt. Auf die Abläufe auf der Baustelle hat die Fundstelle im Randbereich vorerst keine Auswirkungen.

Gießener: Festungsmauer soll abgerissen werden

Die archäologischen Arbeiten laufen laut Boje voraussichtlich noch mehrere Wochen. Aktuell werde die Festungsmauer freigelegt und dokumentiert. Nach Abschluss der Dokumentation können die Arbeiten in diesem Bereich der Baustelle fortgesetzt werden, die alte Mauer wird dann abgerissen.

Die archäologischen Arbeiten werden durch eine lokale Grabungsfirma ausgeführt. Die Überwachung der Arbeiten erfolgt laut Boje durch die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt, die seit 2020 auch im Bereich Archäologie mit Björn Keiner über eine eigene Fachkraft verfüge.

Im Jahr 2020 hat ein archäologischer Fund in Gießen einen Hotelbau ausgebremst.

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