Mehr als 70 neue Wohnungen: Im Reichensand schließt sich Gießens bekannteste Baulücke

Im Reichensand in Gießen stehen nun auf der bekannten Baulücke vier große Gebäude. Auf 4300 Quadratmeter Wohnfläche entstehen merh als 70 Wohnungen.
Gießen – In atemberaubendem Tempo schließt sich im Reichensand momentan Gießens bekannteste Baulücke. Beim Richtfest für das Projekt »Stadtgarten« auf dem Samen-Hahn-Areal gibt es viel Lob für die bauausführende Firma und das Konzept. Es passe gut in eine Zeit, in der sich die Innenstädte im Umbruch befinden, meint Planungsdezernentin Weigel-Greilich.
Bevor durch den Reichensand wieder Verkehrs rollt, wird es noch dauern. Den Gästen indes, die am Montagmittag zum Richtfest für das Projekt »Stadtgarten« eingeladen waren und in Grüppchen auf der Straße vor den Rohbauten standen, vermittelte sich bereits das Gefühl einer Straßenschlucht.
Bauprojekt im Reichensand: 4300 Quadratmeter Wohnfläche in Gießen
»Ich lebe schon lange in Gießen, aber ich kenne die Ecke hier nur mit der leeren Fläche«, meinte ein Gast mit Blick auf die Baugerüste und die Wände, die in den letzten Monaten im Reichensand und an der Bahnhofstraße in die Höhe gewachsen sind.
Das Tempo, in dem dies geschehen ist, war das bestimmende Thema bei der kleinen Feier im mit Heizpilzen gewärmten Erdgeschoss, ehe Bauherr Karim Shobeiri mit Selman Sejfic und Denis Sejfic von Frankfurter Bauunternehmen Atko den Richtkranz in den grauen Gießener Himmel schickten.
Vier neue Gebäude: Tempo der Bauarbeiten in Gießen war hoch
»Ihr habt eine Bombenarbeit geleistet. Wir sind zu keinem Zeitpunkt an Grenzen gestoßen«, lobte Shobeiri die Bauunternehmer aus Frankfurt und die heimische Firma Klingelhöfer, die am Tiefbau beteiligt war. Er bedauere, keine Webcam eingesetzt zu haben, um den rasanten Baufortschritt im Zeitraffer zu dokumentieren, sagte der Bauherr.
Auch Architekt Björn Trieschmann zeigte sich vom Tempo der Bauarbeiten überrascht. Er geht davon aus, dass der Innenausbau ähnlich schnell vonstattengehen und der Gebäudekomplex in etwa einem Jahr fertiggestellt sein wird. Ursprünglich war damit 2024 oder sogar erst 2025 gerechnet worden.
Gießen: Mehr als 70 neue Wohnungen im Stadtgarten
Vier Gebäude sind im »Stadtgarten« in den letzten Monaten in die Höhe gewachsen. Drei davon stehen im rückwärtigen Bereich am Reichensand und werden Wohnzwecken dienen.
Auf 4300 Quadratmeter Wohnfläche entstehen über 70 Wohnungen. Vorne an der Bahnhofstraße, wo vor bald zehn Jahren der Abriss des denkmalgeschützten Samen-Hahn-Hauses stattfand, soll aus dem Rohbau im kommenden Jahr das gründerzeitliche Geschäftshaus optisch wiederauferstehen. Architekt Trieschmann sagte, dass mit der kniffligen Gestaltung der historisch anmutenden Fassade ab März begonnen werden wird. Die feuchtkalte Witterung lasse diese Spezialarbeiten jetzt nicht mehr zu.

Wohnfläche: Drei Geschosse mit Büros, Appartements und Wohnungen in Gießen
Auf drei Geschossen stehen in diesem Gebäude jeweils 330 Quadratmeter Fläche für gewerbliche Mieter zur Verfügung. In den Neubauten werden Wohneinheiten mit einer Gesamtfläche von 4300 m2 errichtet - von Appartements über Wohngemeinschaften, Zwei- und Dreizimmerwohnungen bis zu Penthousewohnungen.
Alle Einheiten sowie die gut 1000 Quadratmeter großen Gewerbeflächen für Praxen, Kanzleien oder Büros, die dort entstehen, will Shobeiri vermieten, nicht verkaufen.
Stadtplanungsdezernentin Gerda Weigel-Greilich: Innenstädte befinden sich im Umbruch
Lobende Worte für das Bebauungs- und Nutzungskonzept sowie ein gelungenes Stück »Stadtreparatur« fand Stadtplanungsdezernentin Gerda Weigel-Greilich. »Die Innenstädte befinden sich im Umbruch und müssen neu gedacht werden. Wir müssen Einzelhandel, Wohnen, Dienstleistungen, Kultur und Gastronomie zusammendenken«, erklärte sie.
Insofern passe das Projekt »Stadtgarten« gut zur »neuen Zeit«, die viele Veränderungen mit sich bringe. Davon verspricht sich die Planungsdezernentin auch eine »neue Dynamik« in der Stadtentwicklung, die Gießen guttun werde.
Kritik an starker Innenverdichtung: Nicht alle Nachbarn sind glücklich
Allerdings teilen in der Nachbarschaft der Baustelle nicht alle die Meinung der Stadt und der Architekten, dass diese Form der Nachverdichtung für Innenstädte angemessen ist. Gerade die verdichtete Bauweise auf dem Areal ist es, mit der offenbar einige Anwohner Probleme haben.
Eine Frau beispielsweise, die seit 1978 im Reichensand in einer Eigentumswohnung lebt, begrüßt zwar die Neubebauung des einstigen »Schandflecks«, stößt sich aber an der »Höhe und Massivität«. Viele ihrer Nachbarn sähen das ähnlich, erklärte sie gegenüber dieser Zeitung. (Burkhard Möller)
Vor einigen Monaten hatte gut 40 Jahre nach dem Kauf des Samen-Hahn-Geländes in Gießen die Neubebauung begonnen.