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Verkehrsversuch am Anlagenring in Gießen: Fahrspuren bereiten Kopfzerbrechen

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Von: Burkhard Möller

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Mit einer Veranstaltung für Anlieger hat die Stadt Gießen die heiße Phase ihrer Informationskampagne zum Verkehrsversuch am Anlagenring gestartet.

Gießen - Wer am Anfang einer Einbahnstraße wohnt, kennt das: Der kurze Weg ist zum Greifen nahe, aber man muss einmal um den ganzen Block fahren. Was viele im Kleinen aus ihrem Wohnquartier kennen, kommt auf direkte Anlieger und Anwohner in der Innenstadt von Gießen beim Verkehrsversuch am Anlagenring im Großen zu. Dass die Verkehrsführung mit einer Einbahnstraße gegen den Uhrzeigersinn auf den beiden äußeren Fahrspuren für die meisten Betroffenen noch eine abstrakte Vorstellung ist, die Kopfzerbrechen bereitet, wurde am Montagabend (24. April) bei einer Anwohnerversammlung im Schuhhaus Darré deutlich.

70 Anwohner und Interessierte waren der Einladung der Stadt gefolgt, sich im Detail über die Veränderungen im Bereich West- und Südanlage zu informieren. »Ich fahre da bislang aber immer links raus«, lautete ein Standardsatz.

Gastgeber und Darré-Chef Heinz-Jörg Ebert hatte der Stadt seine Verkaufsräume zur Verfügung gestellt, weil er auch und vor allem als Vorsitzender des BID-Vereins Seltersweg ein hohes Interesse daran hat, dass das Wie bei den Leuten ankommt, nachdem die Schlacht um das Ob geschlagen ist. Nach zwei intensiven Stunden hatte auch Ebert registriert, dass die Informationsdefizite groß sind. Sein Schlusswort »Kommunikation ist das Zauberwort« konnte auch als Mahnung an die Stadt verstanden werden, die diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken und die Neuerungen anschaulicher als bislang zu erklären.

Verkehrsversuch am Gießener Anlagenring: Stadt lädt rund 350 Anwohner ein

Laut Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) waren für die Veranstaltung gezielt rund 350 Anwohner aus der »ersten und zweiten Reihe« am Anlagenring eingeladen worden, um ihnen zum Beispiel die Befahrbarkeit ihrer Grundstücke zu erläutern. Denn die soll durch Linksabbiegemöglichkeiten von den Autospuren garantiert sein. Innen, wo eine Fahrradstraße im Zweirichtungsverkehr verlaufen wird, dürfen nämlich keine Autos mehr fahren. Ausnahme werden die blau eingefärbten Sonderfahrspuren sein, auf denen Autos - unter Mitbenutzung der Radspuren - zu den Parkhäusern Neustädter, Karstadt und Schanzenstraße geleitet werden.

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Eine vereinfachte Darstellung der Verkehrsführung im Bereich Südanlage mit der Kreuzung Bleichstraße. Aus der kann künftig nur noch nach rechts ausgefahren werden. Auf den Innenspuren verläuft eine Zweirichtungsfahrradstraße. © Stadt Gießen

Anwohner, deren Grundstückseinfahrten rechts dieser Sonderspuren liegen, können diese nutzen. Hat der Autoverkehr Grün, um von der Frankfurter Straße in den Reichensand (Karstadt), von der Gabelsbergerstraße auf die Westanlage (Tiefgarage Schanzenstraße) und von der Rodheimer Straße auf die Nordanlage (Neustädter) zu fahren, wird der Verkehr auf den Radspuren angehalten. »Damit trennen wir die Verkehre und vermeiden Konflikte«, erklärte Holger Hedrich, Leiter der Straßenverkehrsbehörde.

Einige Anwesende äußerten Zweifel. »Wenn den Radfahrern das zu lange dauert, fahren die bei Rot. Das kennen wir doch«, sagte ein Anwohner, dem andere beipflichteten und infrage stellten, dass das Ordnungsamt in der Lage sein wird, das alles zu kontrollieren. Stellenweise wurden die Ausführungen der Verwaltung von Gelächter begleitet, Bemerkungen wie »unglaublich« oder »geht gar nicht« waren zu hören, aber im Großen und Ganzen blieb der Ton sachlich. Die meiste Zeit ging es um individuelle Fragen wie zum Beispiel um die Erreichbarkeit des Hotels Köhler und anderer Grundstücke oder nach der Anpassung von Navigationssystemen.

Umwegfahrten großes Thema bei Info-Veranstaltung zum Verkehrsversuch in Gießen

Großes Thema waren die Umwege, denn von der Südanlage wird man, um in den Westen Gießens zu gelangen, erst einen Bogen durch die südliche Innenstadt zur Lahnstraße schlagen müssen. Oder man fährt einmal fast um den ganzen Ring herum. Unter Verweis auf die vor einem Jahr vorgelegte Machbarkeitsstudie sagte Wright, dass Umwegfahrten zu einer zweiprozentigen Zunahme an Wegen führen werden. Für den Anlagenring gehe man von einer 20-prozentigen Verkehrsabnahme aus, da sich bisheriger Durchfahrtsverkehr auf die Stadtautobahn verlagern werde.

Auf Nachfrage eines Anwohners äußerte sich Wright zu den Kriterien, wann der auf ein Jahr angelegte Versuch als Erfolg bzw. Misserfolg bewertet würde. Beim Autoverkehr seien Verkehrsfluss und Erreichbarkeit von Geschäften und Arbeitsplätzen in der Innenstadt die Kriterien, beim Radverkehr dessen Zunahme. Bis 2035 soll sich in Gießen gemäß Klimaschutzplan der Radverkehrsanteil verdoppeln, pro Jahr mache das sieben Prozent aus. »Wenn wir die nach dem einen Jahr nicht erreicht haben, haben wir ein Thema«, so Wright. Ein Rückbau der Versuchsanordnung sei möglich.

Verkehrsversuch am Anlagenring in Gießen im Überblick

(Burkhard Möller)

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