Ärger an Uni Gießen: „Dafür kriegen die mich nicht“ - Mitarbeiter fühlen sich in Denunzianten-Rolle gepresst
Die Justus-Liebig-Universität Gießen will Energie sparen. Die Hochschule setzt dabei auf eine Vielzahl von Maßnahmen - geht zur Kontrolle dieser aber umstrittene Wege.
Gießen - »Das mache ich nicht.« »Dafür kriegen die mich nicht.« »Ich stehe doch den Menschen hier viel näher als der Zentrale im Hauptgebäude. Was denken die?« Nach einer umstrittenen Arbeitsanweisung aus dem Universitäts-Hauptgebäude in Gießen macht sich unter Reinigungskräften und Hausmeistern an der Justus-Liebig-Universität in diesen Tagen Unmut breit.
Die Hochschulleitung hat die Reinigungskräfte und Hausmeister nach GAZ-Informationen nämlich schriftlich aufgefordert, in den Räumen, die sie regelmäßig betreten, zu kontrollieren, ob die Einstellung der Heizung den entsprechenden Regeln im Zuge der von der Hochschule aufgestellten Energiesparmaßnahmen entspricht. Sollten sie dabei wiederholt feststellen, dass regelbare Thermostate auf einer höheren Stufen stehen als angeordnet, sollen die Namen der entsprechenden Mitarbeiter an das Energiemanagement im Liegenschaftsdezernat der Uni gemeldet werden. Die Reinigungskräfte und Hausmeister fühlen sich von ihrem Arbeitgeber dadurch als Kontrollinstanz missbraucht und in die Rolle von Denunzianten gepresst. Einige wollen jetzt sogar eine Resolution starten, um sich gegen die Anweisung der Hochschulleitung zur Wehr zu setzen.
Uni Gießen: In Denunzianten-Rolle gepresst
Um das Energiesparziel von rund 25 Prozent weniger als im Vorjahr an der JLU zu erreichen, dürfen die Arbeitsräume mit Bürotätigkeiten während der seit 1. Oktober laufenden Heizperiode mit Blick auf die aktuelle Gesetzeslage während der Nutzungszeiten von 8 bis 18 Uhr nur noch auf maximal 19 Grad geheizt werden. Dies entspricht nach Auskunft der JLU bei regelbaren Thermostaten in etwa der Stufe 2 bis 3. Außerhalb der Nutzungszeiten ist eine Absenkung der Raumtemperaturen auf 16 Grad vorzunehmen. Dies entspräche in etwa der Thermostatstufe 1 bis 2. Sollten Reinigungskräfte und Hausmeister Verstöße gegen diese Einstellungen vorfinden, sollen sie laut Anweisung zunächst von außen - also von den Fluren aus sichtbar - Aufkleber an den Türen hinterlassen. Das bedeutet letztlich, dass die entsprechenden Mitarbeiter auf diese Weise öffentlich an den Pranger gestellt werden. Bei »wiederholt zu hohen Thermostateinstellungen soll das Energiemanagement informiert werden«, teilt die JLU mit.

Außer Acht gelassen wird dabei, dass es an der Hochschule Räume gibt, die aufgrund schwacher Heizung oder schlechter Isolation bei regelkonformem Verhalten nach einer nächtlichen Absenkung die angestrebte 19-Grad-Marke erst nachmittags erreichen, was dazu führt, dass Mitarbeiter viele Stunden in zu kalten Büros arbeiten müssen.
»Wir sehen diese Arbeitsanweisung äußert kritisch. Es handelt sich um eine Verhaltenskontrolle der Beschäftigten. Sie ist nicht mit dem Personalrat abgestimmt und wir haben auch nicht zugestimmt«, sagt die Personalratsvorsitzende der JLU, Petra Becker, auf GAZ-Anfrage. Der Personalrat sei aus allen Bereichen der Hochschule wegen dieses Vorgehens konsultiert worden und werde versuchen, in einem angefragten Gespräch mit der Hochschulleitung zu erreichen, dass diese Arbeitsanweisung wieder zurückgenommen werde.
Uni Gießen: Personalrat nicht einverstanden
Die Hochschulleitung selbst findet offenbar nichts dabei, Reinigungskräfte und Hausmeister als Kontrolleure einzusetzen und zu verlangen, dass sie Kollegen verraten. »Beim Energiesparen sind wir zwingend auf die Mitwirkung der JLU-Angehörigen angewiesen. Der Krisenstab und die JLU haben Studierende und Beschäftigte wiederholt gebeten, die Einsparungen mit gezielten Maßnahmen zu unterstützen. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, dass Beschäftigte, denen wiederholt zu hohe Thermostateinstellungen oder dauerhaft gekippte Fenster in einzelnen Büros auffallen, die Verantwortlichen daran erinnern«, sagt JLU-Sprecherin Lisa Dittrich.
»Da die Reinigungskräfte und Hausmeister die einzige Beschäftigtengruppe bilden, die alle Räume regelmäßig betritt, wurden sie gebeten, gegebenenfalls einen Aufkleber zu hinterlassen.« Um Unsicherheiten zu vermeiden und die Reinigungskräfte und Hausmeister davor zu schützen, selbst in die Diskussion mit Kollegen eintreten zu müssen, sei das Vorgehen schriftlich festgehalten worden. Vom Energiemanagement würden die Betroffenen dann »in einem freundlichen und informellen Gespräch« an die Energiesparmaßnahmen erinnert und um deren Einhaltung gebeten. »Selbstverständlich sind keinerlei Sanktionierungen vorgesehen«, sagt Dittrich.