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»auto-ritäre Stadtpolitik«: Verkehrswendeaktivisten protestieren in Gießen – SEK rückt an

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Von: Christian Schneebeck

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Eine Aktivistin mit einem Tripod blockiert am Samstag für mehrere Stunden die Zufahrt zur Philosophenstraße. © Christian Schneebeck

Die Philosophenstraße zwischen Gießen-Wieseck und Ursulum soll autofrei werden. Deswegen sperrten am Samstag Demonstranten die Straße mit einem Tripod. Schließlich rückte das SEK an.

Gießen-Wieseck – Nichts fährt mehr. Jedenfalls nichts, was CO2 ausstößt. Stattdessen bevölkern am Sonntagmittag unzählige Fahrradfahrer und Fußgänger die Philosophenstraße zwischen Wieseck und Ursulum. Die einen sagen, das Aktionswochenende der Verkehrswende-Initiative lege hier unnötig den Verkehr lahm. Die anderen betonen, dass sie gerade einen Blick in die Zukunft der beliebten Verbindung zwischen dem Stadtteil und der Innenstadt ermöglichen. Sie fordern, die Straße zur Fahrradstraße umzuwidmen und für den Durchgangsverkehr zu sperren. So oder so: Rund um das Bürgerhaus wird mächtig etwas geboten - nicht nur am Sonntag.

Verkehrswendeaktivisten in Gießen kritisieren „Fixierung auf den Pkw-Verkehr“

Der Samstag beginnt allerdings noch eher ruhig. In ihrer Auftaktrede kritisieren Organisatorin Marie Esefeld und Jörg Bergstedt von der Projektwerkstatt Saasen die »auto-ritäre Stadtpolitik« für eine allzu einseitige Fixierung auf den Pkw-Verkehr. Diese sehe man auch am Beispiel der Philosophenstraße, wo selbst der seit etlichen Jahren diskutierte Rad- und Fußweg nach wie vor nicht existiert. »Aktuell siegt noch viel zu oft das Auto. Aber wir sind hier, um das zu ändern!«, ruft Esefeld, die selbst in der Philosophenstraße wohnt.

Für wütende Proteste sorgt bei den Teilnehmern eine Entscheidung des Gießener Verwaltungsgerichts, die Straße nicht an beiden Tagen komplett für die Aktionen zu sperren. Am Samstag bleibt sie ganz frei, am Sonntag lediglich im 650 Meter langen Abschnitt hinter der Wieseckbrücke den Aktivisten überlassen. Die Stadt hatte diese Auflagen damit begründet, dass das Gerätehaus der Feuerwehr jederzeit erreichbar sein müsse. Die Behörden suchten »die Konfrontation«, kommentiert Bergstedt den Vorgang. Die Versammlungsfreiheit werde damit »zu einer Farce«.

Verkehrswendeaktivisten in Gießen sperren Straße mit Tripod

Wenig später ist die Zufahrt an der Gießener Straße dann doch dicht. Eine Aktivistin in einem Tripod, einer Konstruktion aus drei langen Eisenstangen, blockiert eine Seite der Fahrbahn. Die Polizei sichert die Stelle ab, Feuerwehr rückt an. So zieht sich die buchstäbliche Hängepartie samt kleinen Scharmützeln zwischen Beamten und Demonstranten über fast fünf Stunden. Zwischenzeitlich trifft auch Ortsvorsteher Michael Oswald (CDU) ein. Sympathie für die Aktionen hat er nicht mitgebracht. Sein Gremium kämpfe jetzt »seit zig Jahren« für den Rad-und Fußweg, sagt er, aber dort sei nie einer der Aktivisten aufgetreten.

Die wiederum sehen den geplanten Weg sogar als Problem. Sei er erst gebaut, komme eine Sperrung der Straße überhaupt nicht mehr in Betracht, heißt ihr Argument. Mitternacht rückt näher, als schließlich das SEK-Höheninterventionsteam aus Wiesbaden anrückt und die Aktivistin aus dem Tripod wieder auf den Boden holt. Nur Minuten später ist unten am Bürgerhaus der erste Aktionstag, mit dem die Blockade als »Spontanversammlung« nichts zu tun haben möchte, beendet.

Verkehrswendeaktivisten in Gießen machen »Kidical Mass«-Fahrraddemo

Weiter geht’s am Sonntag mit einer »Kidical Mass«-Fahrraddemo, diversen Spielen und Mitmachständen, Wiesen-Exkursionen, Müllsammeln und szenischen Lesungen. Zum Talk mit Politikern aus dem Ortsbeirat ist einzig Norbert Kress (Bürgerliste für Umweltschutz und Frieden) erschienen - CDU und Freie Wähler haben schriftliche Stellungnahmen geschickt. So spotten Bergstedt und Esefeld über das verlesene Statement von Heiner Geißler (Freie Wähler), Autos und Fahrräder sollten »gleichberechtigt auch vom Platz her sein«. Bergstedt: »Entweder er möchte die ganze Stadt für neue Fahrradstraßen zubetonieren oder er ist auf unserer Seite und will die Hälfte aller jetzigen Straßen zu Fahrradstraßen machen.«

Nach einer Abschlusskundgebung und einer Raddemo durch den Gießener Stadtteil ist das Aktionswochenende beendet.

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