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Ökonom aus Gießen über Benzinpreise: Konzerne nutzen Marktmacht und Krieg aus

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Von: Christoph Hoffmann

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Das Tanken ist derzeit sehr teuer, obwohl der Rohölpreis gesunken ist.
Das Tanken ist derzeit sehr teuer, obwohl der Rohölpreis gesunken ist. © Oliver Schepp

Die Benzinpreise sind explodiert. Das liegt am Krieg in der Ukraine, denken viele. Doch das stimmt nur zum Teil, sagt Peter Tillmann, Professor für Monetäre Ökonomik an der Gießener Uni.

Gießen - Neulich herrschten rund um die Margaretenhütte in Gießen chaotische Zustände. Eine dort angesiedelte Tankstelle bot den Sprit deutlich günstiger an als die Konkurrenz. Dutzende Gießener steuerten die Zapfsäulen an. Da der Preis in einschlägigen Handy-Apps gelistet war, standen auch viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen in der Schlange. Bei Preisen von 2,30 Euro und mehr pro Liter ist das nicht verwunderlich. Dass die Preise derart explodiert sind, hingegen schon.

»Die Preise an den Tankstellen sind in den letzten Tagen und Wochen vom Rohölpreis entkoppelt«, sagt Peter Tillmann, Professor für Monetäre Ökonomik an der Justus-Liebig-Universität. Sein Verdacht: Die Mineralölkonzerne nutzen den Krieg in der Ukraine aus, um satte Gewinne zu erzielen. Mit dieser Einschätzung steht der Gießener Professor nicht alleine. Politiker, Ökonomen und Kraftstoff-Experten werfen den »Öl-Multis« vor, derzeit großen Reibach machen zu wollen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Bundeskartellamt daher gebeten, die Preisexplosion zu überprüfen.

Ökonom aus Gießen: Spritpreis vom Rohöl entkoppelt

Der Markt um das »schwarze Gold« wird von wenigen Konzernen beherrscht. »Also ein Oligopol mit ganz wenigen, sehr mächtigen Spielern«, sagt Tillmann und meint damit Unternehmen wie BP, ExxonMobile oder Shell.

Diese Konzerne hätten auch die meisten Raffinerien unter Kontrolle. Natürlich sei es so, dass durch den Krieg in der Ukraine der Rohölpreis gestiegen sei, da das Angebot aus Russland kleiner werde bzw. drohe ganz auszufallen. »Gleichzeitig verzeichnen wir einen Anstieg des Dollars, was die Weltmarktpreise noch teurer macht«, sagt Tillmann. Die Konzerne verweisen zudem darauf, dass die Liefer- und Beschaffungskosten gestiegen seien.

Tatsächlich ist der Rohölpreis durch den Angriff von Putin auf die Ukraine zwischenzeitlich stark gestiegen. Mit rund 104 Dollar pro Barrel liegt er nun aber bei einem ähnlichen Wert wie vor Ausbruch des Krieges. Der Spritpreis sinkt aktuell zwar ebenfalls leicht, er liegt aber dennoch in ungewohnten Höhen. Heißt: Ende Januar lag die Differenz zwischen Rohölpreis samt Steuern und Dieselpreis an der Tankstelle bei etwa 35 Cent. In den vergangenen Tagen waren es über 80 Cent.

Ökonom aus Gießen begrüß Kartellam-Initiative

»Wenn man es wohlwollend betrachten würde«, sagt Tillmann, »halten die Anbieter das Angebot zurück und bauen Lagerbestände auf, weil sie nicht wissen, ob es ein Lieferstopp geben wird.« Die weniger wohlwollende und in Augen des Ökonomen wahrscheinlichere Variante sei, dass die Konzerne ihre Marktmacht und den Krieg ausnutzen, um höhere Gewinnmargen zu erzielen. »Dieser Verdacht liegt auf der Hand.«

Tillmann begrüßt daher, dass sich das Bundeskartellamt die Preise genauer anschauen will. Mit einer schnellen Umsetzung etwaiger Maßnahmen rechnet der Gießener Professor jedoch nicht. »Es kann Monate, sogar Jahre dauern, bis diese Maßnahmen greifen.«

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