Profis aus Gießen: »Home-Office erfordert Umdenken«

Wie Home-Office das Arbeiten verändert und optimiert werden kann, dazu machen sich Holger Fischer und Eckhard Bilitewski von der Confidos-Akademie in Gießen Gedanken.
Nach dem Aufstehen schnell Zähne putzen, ein hastiges Frühstück und sich dann auf den Weg zur Arbeit machen - so mag die Morgenroutine vor Corona ausgesehen haben. Durch die Umstellung auf Home-Office hat sie sich für viele Arbeitnehmer verändert. Auch die Abläufe während des Arbeitstages - das kurze Feedback vom Chef oder das gemeinsame Brüten über einem Problem - funktionieren nicht mehr wie bisher. Das führt zu Stress bei Mitarbeitern und Vorgesetzten. Holger Fischer und Eckhard Bilitewski von der Confidos Akademie Hessen in Gießen schulen darin, wie man Arbeit im Home-Office gut organisiert.
An manche Probleme denkt man erst einmal nicht. So erzählt Bilitewski, dass viele Arbeitnehmer morgens gerade sehr geschlaucht sind. »Das liegt an der weggefallenen Routine. Die Leute kommen einfach nicht in den Tag.« Er rät deswegen, bei eingespielten Abläufen zu bleiben: Zur selben Zeit wie immer aufstehen, frühstücken und sich so anziehen, als ob man das Haus verlassen würde. Man sei dann zwar zu früh wach, da man ja keine Zeit für den Arbeitsweg benötige, aber das sei ein Vorteil, den man nutzen könne, erklärt Bilitewski. Man müsse auch die positiven Seiten der Situation wahrnehmen. In der gesparten Zeit könne man etwa Sport treiben oder einfach ohne Hektik frühstücken.
Routinen helfen weiter
»Bei uns schreibt jeder ›Guten Morgen‹ in den Chat, damit wir auch eine Morgen-Routine in der Firma haben«, fügt Fischer hinzu. Manche machen auch einen Smiley, dadurch bringen sie Emotionen ein, die man bei der Begrüßung im Büro auch hätte. Emotionen und zwischenmenschlicher Kontakt wie das Plaudern am Kaffee-Automaten, die gemeinsame Pause oder dass man sich etwas Lustiges erzählt, würden sonst fehlen. Der Kontakt sei aber für den Spaß an der Arbeit und die Motivation wichtig. »Es müssen Kommunikations-Inseln geschaffen werde«, rät Bilitewski. Die Kaffeepause könne man auch im Video-Chat machen. Er lacht: »Ich weiß von einer Firma, in der sie sogar zusammen Feierabend-Cocktails über den Chat trinken.« Das Gemeinsame brauchen die Menschen, damit sie sich auch weiterhin als ein Team sehen. Im Büro passiere das vielleicht automatisch, jetzt müsse explizit daran gearbeitet werden.
Aber nicht nur die zwischenmenschliche Ebene müsse neu organisiert werden, auch die Arbeitsabläufe an sich, sagt Fischer. Ein Chef könne nicht mehr jeden einzelnen Arbeitsschritt überwachen oder ständig neue Anweisungen geben. Dadurch, dass die Kommunikationswege länger sind, sei das nicht mehr zu schaffen. Jetzt sei es wichtig, dass das Führungspersonal delegieren könne und mit Zielvereinbarungen arbeite. »Sie müssen ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen.« Das bedeutet zum Beispiel, eine Zielvorgabe zu machen: Freitag um 16 Uhr muss das Projekt fertig sein. Die Zwischenschritte bleiben dem Angestellten überlassen. Fischer erklärt: »Er kann gerade am besten überblicken, wie seine Arbeitsplatz- und Familien-Situation ist, wann er auf die Kinder aufpassen muss und wann er ungestört arbeiten kann.« Kleinteilige Anweisungen und Überwachung helfen gerade nicht.
Wertschätzendes Feedback nötig
Den Mitarbeitern mehr Freiraum zu lassen, bedeutet aber nicht, die fertige Arbeit nicht mehr zu bewerten. Fischer sagt: »Die Mitarbeiter brauchen ein wertschätzendes Feedback, um motiviert zu bleiben.« Dafür muss sich der Chef nach Erreichen der Zielvorgabe Zeit nehmen.
Auch an anderer Stelle sei jetzt vermehrt die Aufmerksamkeit des Führungspersonals gefragt. Wenn es in einer Abteilung Probleme gebe oder es einem Angestellten schlecht gehe, könne man das der Person im Büro ansehen. Im Home-Office sei das aber ungleich schwerer. Regelmäßige Gruppengespräche, aber auch persönliche Unterhaltungen zwischen dem Angestellten und seinem Vorgesetzten seien gerade nötig, um Unstimmigkeiten mitzubekommen, bevor es im Unternehmen brenne.
Nach der Corona-Krise gelte es zu überlegen, ob man positive Neuerungen wie die Zeitersparnis durch den Wegfall des Arbeitsweges oder die freiere Zeiteinteilung der Mitarbeiter beibehalten könne. Fischer sagt: »Acht Stunden Videokonferenzen am Tag will ich aber nicht behalten.«
Die Confidos Akademie Hessen hat auf Youtube die Video-Reihe »Auf eine Tasse Kaffee« begonnen, in der Holger Fischer und Eckart Bilitewski Tipps für das Arbeiten im Home-Office geben. In ihrem ersten Video geht es um die Rolle der Führungskraft in der virtuellen Arbeitswelt: http://youtu.be/uY93ay0yPvk.