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Prof. Christian Hesse zu Gast auf Beutelspachers Sofa

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Gießen (son). »Die Mathematik ist ein mächtiges Denkwerkzeug und hat auch für banale Dinge schlüssige Antworten parat - selbst der Zufall ist für die Mathematik nicht regellos.« Christian Hesse, der auf Albrecht Beutelspachers rotem Sofa im Mathematikum Platz genommen hatte, muss es wissen.

Schließlich hat er die Professur für Stochastik und ihre Anwendungen an der Universität Stuttgart inne und beschäftigt sich von Berufs wegen viel mit dem Zufall. Hesse, der Beutelspachers erster Gast auf dem Sofa war, den der Mathematikumsleiter vorher nicht persönlich kannte, erwies sich als eloquenter Gesprächspartner, der seine Freude an der Mathematik gut zum Ausdruck zu bringen vermochte.

Die Leidenschaft für die Mathematik loderte bei ihm schon in früher Kindheit auf, erzählte er. In seiner Jugend beschäftigte sich stundenlang mit Knobelbüchern oder versuchte sich an kniffligen Rätselaufgaben aus Zeitungen und Zeitschriften. »Die Lösung selbst war mir dabei gar nicht so wichtig, sondern das Ausprobieren unterschiedlicher Herangehensweisen«, meinte Hesse. An der Mathematik fasziniere ihn besonders »die Schönheit, die in den Strukturen steckt«. Diese habe weniger mit Zahlen, sondern mehr mit Denken zu tun, der Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten. Als Beispiel nannte er eine Aufgabe, bei der es zu ermitteln galt, wie viele Begegnungen bei einem Tennis-Turnier nach dem K.o.-System mit 128 Spielern nötig seien, bis ein Gewinner feststünde. Natürlich könne man das ausrechnen, aber das sei keine schöne Mathematik.

»Man braucht nur zwei, drei kleine Denkbewegungen, um es ohne Rechnerei zu lösen.« Wenn einem klar werde, dass es in jeder Runde immer einen Gewinner und einen Verlierer geben muss, und es am Ende nur einen Champion geben kann, »kommt man auch auf die Lösung, dass es 127 Begegnungen geben muss«, sagte er. Vom Denken handelt auch sein bekanntestes Buch »Das kleine Einmaleins des klaren Denkens«.

Trotz seiner Liebe zur Mathematik studierte Hesse zunächst zwei Semester Medizin. Die ZVS schickte ihn dafür Ende der siebziger Jahre nach Gießen. »Ich war hier mit allem zufrieden, nur nicht mit meinem Studium«, sagte er. Er wechselte nach zwei Semestern zum Fach Mathematik. »Das war zwar knüppelhart, aber wir hatten gute Arbeitsgruppen und gute Lehrer«, erinnerte er sich. Durch das Fulbright-Stipendium wurde ihm ein Auslandsaufenthalt in den USA möglich. Aus dem anfangs auf ein Jahr ausgerichteten Besuch, wurden zehn. Hesse war beeindruckt von der Arbeitsmoral und der Intensität des Studiums in den USA. Er studierte an der Indiana University, promovierte in Harvard, hatte danach Anstellungen an verschiedenen Universitäten. »Für jemanden wie mich, der aus dem Sauerland stammt, war der Uni-Betrieb in den USA ein großes intellektuelles Erlebnis«, schmunzelte er.

Neben der Mathematik ist Schach eine weitere Leidenschaft Hesses. Heute spiele er Fernpartien mit Kollegen per E-mail, da könne eine Partie schon mal zwei Jahre dauern. Auf Beutelspachers Frage nach seinen Zukunftsplänen zeigte sich Hesse recht bescheiden. Seine Träume seien eigentlich so gut wie erfüllt - er habe seine Familie, die Mathematik, das Schachspielen. »Vielleicht wieder mehr reisen, wenn die Kinder größer sind«. Die Öffentlichkeit darf zudem gespannt auf sein neues Buch warten, an dem Hesse derzeit arbeitet und in dem er dem Leser 137 mathematische Konversationsbausteine für den Small-Talk an die Hand geben will.

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