Popolski haut auf die Pauke

Wer Pawel Popolskis abgefahrene Polka-Show besucht, sollte trinkfest sein. Denn gleich zu Anfang gibt es für jeden im Saal erst einmal einen kleinen Wodka - zum Warmwerden mit den polnischen Sitten und Gebräuchen. Was dann nämlich folgt, ist eine musikalische Lehrstunde der ganz besonderen Art.
Pawel Popolski beweist dem begeisterten Publikum in der Kongresshalle, dass der Siegeszug der Popmusik ursprünglich von einem polnischen Plattenbau in Zabrze ausging. Dort komponierte sein Opa Pjotrek Anfang des 20. Jahrhunderts 128 000 Lieder mit Hitpotenzial, die später einfach frech von den einfallslosen Popstars dieser Welt geklaut und verschandelt wurden.
Vor Jahren schon hat sich Achim Hagemann, der hinter Pawel Popolski steckt, diese herrlich hanebüchene Geschichte ausgedacht, es mit seiner schrägen Familie ab 2008 sogar ins Fernsehen geschafft. Inzwischen tourt er mit seiner Wohnzimmershow allein durch die Lande, hat sie perfektioniert bis in die Zehenspitzen seiner Quante, mit der er den »Beatski« an seinem Kofferschlagzeug erzeugt.
Wenn Popolski draufhaut, bleibt kein Auge trocken. Seine Anekdoten, die er zur Entstehung neuer Songs aus Opas Melodienschatzkiste erfindet, sind zum Schreien komisch und man kann gar nicht genug kriegen von ihnen. So entlockt der Opa dem Gewürzregal in der heimischen Küche nach und nach bekannte Töne, bei denen der Pfefferstreuer schließlich für den richtigen Groove sorgt beim Elektro-Dancer »I can’t get no sleep«. Lichtorgel inbegriffen.
Überhaupt zeigt sich Popolski an diesem Samstagabend betont lautstark und rockig, erspart dem Publikum mit seinem radebrechenden polnischen Akzent Dieter Bohlens Erfolgsstory der »Cheri Cheri Lady« und schickt stattdessen den Opa von Zabrze nach L.A. auf einen »Walk on the Wild Side«.
Freejazz-Polka für nervöse Charaktere
Anschaulich erklärt der studierte Musiker, der einst am Klavier mit Hape Kerkeling die legendäre »Hurz!«-Parodie kreierte, die Instrumente auf der Bühne - von der Kesselpauke bis zum Schlagzeug, im Fachjargon kurz Schießbude genannt. Er demonstriert den Unterschied zwischen der Disco-Polka, dem in Noten gegossen Stumpfsinn à la »Stayin’ Alive«, und der Freejazz-Polka für nervöse Charaktere.
Wie Polka eigentlich klingen muss, das geben Pawel Popolskis Familienmitglieder zum Besten, die im Zeitalter der modernen Technik mit Skype per Video aus der Plattenbauküche in Zabrze zugeischaltet sind. Wenn Tante Apollonia zur Tuba greift und immer wieder fordert: »Please, don’t stop the Polka«, dann tobt der Saal in der Polka-City of Gießen.
Der eigentliche Star des Abends aber heißt Oli, der nach 20-jähriger Abstinenz sein Comeback als Schlagzeuger gibt. Mutig betritt er die Bühne, um gekonnt den Rhythmus an der Schießbude vorzugeben. »Oli hat der Polka in die Füße«, ruft der Meister begeistert, während er an der Polkatronic 4, einer Weiterentwicklung von Opas Synthesizer, das peinlichste Lied aller Zeiten in die Tasten hämmert und das Publikum entfesselt den Refrain mitgrölt: »Ney Nah Neh Nah«.
»Hand aufs Herz, Oli«, will ich am Ende beim Rausgehen wissen, »das war doch abgesprochen.« Er schwört Stein und Bein, dass dem nicht so sei, aber er noch heute beruflich mit Musik zu tun habe. »Schlagzeug spielen ist wie Fahrrad fahren - das verlernt man nicht.« Und fügt noch hinzu: »Hagemann ist halt ein exzellenter Musiker. Deswegen sind wir doch hier!«