Poller gegen Auto: Wer ist schuld?
Durch den Asterweg kann man fahren, der Poller ist ja meistens kaputt: Dieses Denken kann teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Gerichtsverfahren zu einem Unfall. Viel hängt dabei von der Uhrzeit ab.
Eine junge Frau fährt den Asterweg entlang. Kurz vor der Ecke Sudetenlandstraße geht der Poller hoch und beschädigt ihr Auto erheblich. Dieses Szenario wird seit Donnerstag am Landgericht verhandelt. Viele Fragen sind noch offen. Eines allerdings ist klar: Die Stadt hält weiterhin an dem Poller fest, auch wenn er häufig ausfällt. Autobesitzer will Geld von der Stadt
Am 13. April dieses Jahres wollte die Asterweg-Bewohnerin abends zum Einkaufen fahren, als der Unfall passierte. Sie habe sich an die Tempo-30-Beschränkung gehalten, sagte die 25-Jährige. Am Auto ihres Vaters, das sie häufig nutzt, entstand »fast Totalschaden«. 5600 Euro kostete die Reparatur. Dieses Geld, außerdem die Wertminderung und die Kosten für den Sachverständigen und den Rechtsanwalt fordert der Autobesitzer von der Stadt und hat deshalb Zivilklage eingereicht.
Ein Knackpunkt bei der Schuldfrage ist die Uhrzeit. Laut Beschilderung fährt der Poller allabendlich um 19 Uhr hoch. Die 25-Jährige Gießenerin beteuerte vor Gericht, sie habe die Stelle einige Minuten früher passiert. Sie sei drei anderen Fahrzeugen gefolgt und habe dann den Schlag gespürt. Sie sei ausgestiegen und habe die Stoßstange, das Poller-Oberteil und weitere Trümmer aufgelesen, bevor sie ihren Vater angerufen habe. Beide Handys hätten das Telefonat um 19.01 Uhr registriert. Fuhr Poller zu früh hoch? »Woher bezieht die Anlage ihre Uhrzeit?«, fragte ihr Rechtsanwalt Dietrich Rössel: War die Steuerung vielleicht unpünktlich? Eine Antwort steht noch aus.
Ist es technisch überhaupt möglich, dass ein Poller sich bewegt, während ein Fahrzeug darüber rollt? Gerhard Pflästerer, Rechtsvertreter der Stadt, berichtete von einem Bewegungsmelder. Unklar blieb, ob der die Mechanik stoppen oder »nur« die Ampelanlage in Betrieb setzen soll. Deutlich wurde vor Gericht indes auch, dass der Poller das Auto nicht von unten traf. Etwa 35 Zentimeter weit war er schon hochgefahren, als er gegen den Kühler prallte. Danach beschädigte er Teile des Motors und des Auspuffs. Ampel und Schilder warnen
Ampel-Licht habe sie »nicht wahrgenommen«, erklärte die 25-Jährige. Laut Pflästerer leuchtet rechtzeitig ein gelbes Blinklicht auf, nach 30 Sekunden folgt Dauerrot. Rössel bemängelte die Beschilderung: Sie hänge zu hoch und zu nah am Poller. Das spiele bei einer langjährigen Asterweg-Bewohnerin keine Rolle, konterte Pflästerer. Beim nächsten Termin am 16. November soll ein Mitarbeiter der Stadt die Technik der Anlage detailliert erläutern.
Immer wieder Reparaturen
Nicht zur Sprache kam vor Gericht die Möglichkeit, dass die Autofahrerin die Durchfahrt einfach riskiert haben könnte im Wissen, dass der Poller nur selten in Betrieb ist. »Die Leute rechnen gar nicht mehr damit, dass er hochgeht«, sagt ein Anlieger. Auch zur Zeit ist die Anlage ausgefallen.
Jedes Mal lässt die Stadt sie reparieren; die Kosten trägt eine Versicherung. »Wir blicken fasziniert auf andere Städte, in denen Poller einfach funktionieren«, sagt im GAZ-Gespräch der städtische Verkehrskoordinator Ralf Pausch. Die Sperre im Asterweg werde immer wieder von Autofahrern gerammt; etwa bei Wendemanövern – zu denen es wiederum kommt, weil viele wissen, dass der Weg auch nachts oft frei ist. Oder weil Autofahrer versuchen, ganz nah hinter dem Stadtbus durchzuschlüpfen, dessen Fahrer die Sperre per Funk versenken kann.
Sollte der Autobesitzer vor Gericht unterliegen, so könnte auf ihn eine Schadensersatzklage wegen der Reparaturkosten am Poller zukommen. Vor Ort zahlte die Fahrerin 35 Euro Bußgeld an Polizeibeamte. Vom Ampel-Rotlicht war dabei keine Rede, hob ihr Anwalt hervor.
Kein Thema war vor Gericht die Frage, ob zum Zeitpunkt des Unfalls die Durchfahrt tagsüber noch verboten war (siehe Kasten). Für die Anliegerin galt das ohnehin nicht.
Seit 25 Jahren umstritten
Durchfahrt jetzt tagsüber erlaubt
Der Poller im Asterweg ist genau 25 Jahre alt. Er sorgte von Anfang an für Diskussionen. Die Geschäftsleute aus dem Viertel setzten durch, dass er tagsüber offen blieb. Eigentlich war die Durchfahrt nur Anliegern erlaubt; daran hielt sich aber kaum jemand. Seit einigen Monaten ist der Weg zwischen 8 und 19 Uhr offiziell frei. An zwei Stellen hat die Stadt bewegliche Poller übrigens wieder abgebaut: Zwischen Kirchen- und Marktplatz stehen nun feste Pfosten, am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium muss ein Schild genügen. An beiden Standorten hatte es mehrmals Unfälle mit Autos oder Radlern gegeben, die gegen die hochfahrende Sperre prallten.