Parlamentschef hat »keine Zweifel«

Die Magistratswahl hat dem Stadtparlament Ende September einen denkwürdigen Abend beschert. Trotz der chaotischen Umstände hat der Stadtverordnetenvorsteher »keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl«. Ob die trotzdem noch vor dem Verwaltungsgericht landet, entscheidet sich bald.
Eine Lehre aus der chaotischen Parlamentssitzung vom 30. September gibt es schon. Wenn die Stadtverordnetenversammlung künftig coronabedingt in die Mehrzweckhalle nach Allendorf ausweicht, wird es am nötigen Equipment nicht fehlen. »An so einem Abend mit vielen Wahlen hat man Drucker dabei«, stellte der Stadtverordnete Gerhard Merz (SPD) am Montagabend im parlamentarischen Haupt- und Rechtsausschuss fest, der die Geschehnisse vom Abend des 30. September aufarbeitete. Grundlage der Debatte waren zwei Widersprüche der Fraktion Gigg/Volt sowie der beiden PARTEI-Abgeordneten Andrea Junge und Darwin Walter gegen die Gültigkeit der Wahl des ehrenamtlichen Magistrats.
Während sich die Fraktionen über die technischen Konsequenzen des Debakels wohl einig sind, sieht es bei den juristischen und politischen anders aus. Auch nach dem Montagabend behält sich die Fraktion Gigg/Volt vor, die Wahl durch das Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. Die Voraussetzungen für eine Klage zeichnen sich ab, nachdem die Widersprüche - in Abwesenheit der beiden PARTEI-Vertreter - mit der breiten Mehrheit der grün-rot-roten Koalition, der CDU, der FDP und der Freien Wähler zurückgewiesen wurden. Die AfD enthielt sich, Gigg/Volt stimmten gegen die Zurückweisung. Wird dieses Votum am 18. November vom Stadtparlament bestätigt, können die Widerspruchsführer vor Gericht ziehen.
Stadtverordnetenvorsteher Joachim Grußdorf (Grüne) machte mit Verweis auf eine Stellungnahme des städtischen Rechtsamts deutlich, dass er eine Klage gegen die Wahl der 14 ehrenamtlichen Stadträte für aussichtlos hält. »Ich habe keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl«, sagte der Parlamentschef, der bei Wahlen im Stadtparlament als Wahlleiter fungiert.
Gigg/Volt sehen Klärungsbedarf
Die geheim durchgeführte Wahl war zunächst für ungültig erklärt worden, weil der Stimmzettel fehlerhaft war. Der Fehler - der Wahlvorschlag der Freien Wähler war falsch auf den Stimmzettel übertragen worden - war von FW-Fraktionschef Heiner Geißler in der Wahlkabine erkannt worden, als der Wahlgang bereits lief. Nach langem Hin und Her - neue Stimmzettel mussten im Rathaus ausgedruckt und nach Allendorf gebracht werden - fiel die Entscheidung, dass die Wahl wiederholt werden muss. »Eine andere Heilung des Fehlers war nicht möglich«, erklärte Grußdorf im Ausschuss.
Teile der Opposition indes sehen Klärungsbedarf, was die Abläufe der für ungültig erklärten Wahl betrifft. So wurde der Wahlgang, obwohl zu diesem Zeitpunkt klar war, dass der Stimmzettel einen Fehler enthielt, ausgezählt. Grußdorf gab das Ergebnis zwar nicht bekannt, aber im Saal kursierte die Information, dass der Koalition aus Grünen, SPD und Gießener Linke eine Stimme für ihren Wahlvorschlag fehlte. CDU-Fraktionschef Klaus Peter Möller bestätigte dies im Ausschuss. Es habe ein Zettel mit dem Ergebnis herumgelegen, den unter anderem SPD-Fraktionschef Christopher Nübel zur Kenntnis genommen habe, sagte Möller. Wäre dieses Ergebnis gültig gewesen, hätte dies bedeutet, dass die Koalition einen Magistratssitz verloren hätte und es um diesen Sitz zum Losentscheid zwischen AfD und PARTEI gekommen wäre. Bei der Wiederholung stimmten dann alle 31 Koalitionsabgeordneten für den eigenen Wahlvorschlag. Zwischen beiden Wahlgängen war bei der SPD eine Stadtverordnete für eine abwesende Kollegin nachgerückt. Dass das Ergebnis der ungültigen Wahl bekannt war, ist aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Alexander Wright nicht zu beanstanden: »Auszählungen von Wahlen sind öffentlich.«
Grußdorf: Gab nur eine Wahl
Die Abläufe veranlassten Gigg/Volt-Fraktionschef Lutz Hiestermann im Ausschuss zur Aussage, die Koalition habe sich zwischen beiden Wahlen durch das Wissen um das erste Ergebnis »Vorteile« verschafft. Sprecher der Koalition wiesen dies zurück. Seinen Anfang habe alles mit dem Hinweis von Geißler genommen. »Der Hinweis auf den Fehler kam nicht von der Koalition«, hieß es. Aus Grußdorfs Sicht gab es keine zwei Wahlgänge, sondern einen Wahlvorgang: »Die Wahlhandlung ist erst beendet, wenn der Wahlleiter das Ergebnis bekanntgibt.«