Ohne zweites Gleis geht nix

Gießen-Rödgen (mö). Konstantin Becker hatte sich einen hübschen Gag ausgedacht für den Pressetermin am Rödgener Bahnübergang Seewiesenstraße. An Teilnehmer wie Bürgermeister Alexander Wright verteilte das Ortsbeiratsmitglied Bahnfahrkarten für Fahrten, die in Rödgen starten. Schmunzeln musste Wright freilich über das Ablaufdatum seiner Fahrkarte: »Gültig bis 31.
12.2025« stand auf dem Ausdruck. »Oha« entfuhr es dem Gießener Verkehrsdezernenten.
Natürlich wissen Becker und seine Mitstreiter aus der »Verkehrswendeinitiative Rödgen«, dass es vollkommen illusorisch ist, dass in drei Jahren Züge der Vogelsbergbahn an einem reaktivierten Bahnhaltepunkt in Rödgen halten werden. Mit dem Ortstermin am vergangenen Freitag wollte die Initiative die Rödgener Interessen beim anvisierten Ausbau der Vogelsbergbahn artikulieren. »Der Platz für ein zweites Gleis ist vorhanden«, zeigte Finn Becker auf das Schotterbett neben dem bestehenden Gleis der Vogelsbergbahn. Hier habe einst ein zweites Gleis gelegen. Es sei in Rödgen mithin nicht nur der Platz für einen Haltepunkt vorhanden, sondern auch für ein zweites Gleis, um Begegnungsverkehr zu ermöglichen.
Viele Wünsche für neue Haltepunkte
Einig waren sich die Anwesenden, darunter auch Klaus Zecher vom Fahrgastverband ProBahn, dass zusätzliche Haltepunkte nur eingerichtet werden können, wenn die Vogelsbergbahn durch Modernisierung und den mindestens abschnittsweisen Bau eines zweiten Gleises zuvor beschleunigt wird. Neue Haltepunkte würden die Bahn andernfalls derart verlangsamen, dass sie unattraktiv würde.
Bürgermeister Wright brachte die Anwesenden auf den Stand der Dinge. Demnach liegt die Machbarkeitsstudie zum Ausbau der Bahnstrecke Gießen-Fulda mittlerweile im Entwurf vor und wird wohl demnächst veröffentlicht und diskutiert. »Wir müssen danach unsere Hausaufgaben machen und schnell in Planungen kommen«, erklärte Wright, der um die Langwierigkeit von Eisenbahnprojekten natürlich weiß.
Die Liste der Anmeldungen von zusätzlichen Bahnhaltepunkten entlang der Strecke ist lang, allein die größeren Städte Gießen und Fulda haben zusammen zehn Standorte genannt und wollen die Vogelsbergbahn innerstädtisch quasi wie eine S-Bahn nutzen. Die Gießener Überlegungen sind laut Wright am konkretesten, was zwei Haltepunkte am früheren US-Depot (Gewerbe- und Wohngebiet Alter Flughafen) sowie an der Gleisgabel hinter dem Wohngebiet am Aulweg betrifft. Dieser Haltepunkt trägt nunmehr den Arbeitstitel »Universitätszentrum«.
Bahn deutlich schneller als Bus
Nach Überzeugung von Wright kann die Schiene, die gegenüber dem Stadt- und Regionalbus deutliche Schnelligkeitsvorteile hat, einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Pkw-Verkehrs leisten. Für viele Menschen sei auch auf der Kurzstrecke das Auto nach wie vor das bequemere Verkehrsmittel. Mit einem Bahnangebot könne man den Leuten bei der Wahl des Verkehrsmittels »die Entscheidungsfreiheit wiedergeben«, ist der Grünen-Politiker überzeugt.
Auch in Rödgen gebe es Leute, die einen Bahnanschluss begrüßen würden, um schnell an den Arbeitsplatz im Klinikum, den Pendlerzug nach Frankfurt oder Arbeitsstellen im östlichen Kreisgebiet zu gelangen. In Rödgen gebe es zum Beispiel Wohngruppen der Leppermühle, deren Bewohner täglich mit Kleinbussen hin- und hergefahren würden. Nicht nur, aber auch deshalb setzen sich Verkehrswendeaktive wie Jörg Bergstedt aus Saasen für einen zusätzlichen Bahnhaltepunkt in Großen-Buseck ein.
Vom Bürgerhaus in Rödgen braucht die Linie 1 bis ins Südviertel über 25 Minuten. »Die 26 Minuten bis zur Haltestelle Friedrichstraße sind auch nur theoretisch, oft dauert die Fahrt deutlich länger«, sagte Monika Lux, die im Universitätsklinikum arbeitet.
Diesbezüglich hatte Wright die gute Nachricht mitgebracht, dass der neue Gießener Nahverkehrsplan mit der Linie 4 eine weitere Verstärkung auf der sehr stark nachgefragten Ost-Süd-Verbindung vorsieht.