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Auf dem Weg zu »OHM« 2.0

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Von: Karola Schepp

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Das Stadt[Labor]Gießen will das Oberhessische Museum gedanklich auf den Kopf stellen. Dass es dafür den »Denk.Raum.Museum« nicht in einem der Häuser am Brand- oder Kirchenplatz eröffnet, sondern in der Kunsthalle im Rathaus, ist symptomatisch. Es zeigt, wie hoch die Erwartungen an eine neue Museumskonzeption sind – aber auch, dass die Voraussetzungen dafür im Oberhessischen Museum selbst nicht eben leicht sind.

Gießen braucht ein zeitgemäßes und zukunftsfähiges Museum«. Mit diesem Satz brachte es die Oberbürgermeisterin in ihrer Eröffnungsrede der viertägigen Veranstaltungsreihe des Stadt[Labor]Gießen auf den Punkt. Bereits seit längerer Zeit arbeitet eine von Dietlind Grabe-Bolz ins Leben gerufene Steuerungsgruppe an einer Vision für das in die Jahre gekommene Museum. An diesem Stadtfestwochenende soll nun erstmals die Stadtgesellschaft eine Vorstellung davon bekommen, was gewünscht und möglich ist. Dafür wird die Kunsthalle noch bis Sonntag zum »Denk.Raum.Museum«.

»Das Oberhessische Museum ist unser kulturelles Erbe«, betonte die Oberbürgermeisterin vor rund 100 Gästen der Eröffnungsveranstaltung und machte deutlich, dass die Transformation des Oberhessischen Museums in ein zeitgemäßes Haus »eine der bedeutendsten kulturpolitischen Aufgaben der letzten 50 Jahre in Gießen ist.« Mindestens zwei Jahre werde es dauern, bis dieser erst mal nur auf den stadtgeschichtlichen Teil konzentrierte Prozess abgeschlossen sein kann, zumal die Umwandlung im laufenden Betrieb und parallel zur Inventarisierung der Sammlungen vonstatten gehen soll. Das Museum sei ein Schatz, der unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft, also »von Gießen für Gießen«, zeitgemäß genutzt werden soll.

Es solle nicht nur die Stadtgeschichte zeigen, sondern auch zum Forum für Stadtthemen werden und Identifikation stiften. Wie das geschehen kann, wird im Projekt Stadt[Labor]Gießen erprobt, das binnen zwei Jahren mit Labor-Ausstellungen zu Stadtgeschichte, -ansichten und -identität, Labor-Gesprächen und einer Website Labor(LAB) gezielt die Bürger einbeziehen will.

Das Oberhessische Museum soll zu einem »lebendigen Ort« ausgebaut und zum Museum »OHM« 2.0 werden, unterstrich Michael Breitbach, der als Vorsitzender des Oberhessischen Geschichtsvereins laut OB den »entscheidenden Impuls« zur Neukonzeptionierung gegeben habe. Breitbach erinnerte noch einmal an die lange Geschichte des Museums, das auf der Sammlungstätigkeit des Oberhessischen Vereins für Lokalgeschichte 1879 und der Sammlung des Industriellen Wilhelm Gail basiert. Die drei Häuser des Museums dürften nicht länger eine bloße Ansammlung von Objekten ohne verbindendes Band sein, sondern müssten in neuer Ordnung präsentiert werden können, fordert Breitbach. Hierzu sei es auch nötig, die drei Häuser auf ihre Bezüge hin zu untersuchen. Diesen »Marathon« werde der Geschichtsverein »uneingeschränkt unterstützen«, damit die Stadtgesellschaft wieder ein klares Bewusstsein für ihr Museum bekomme und Neugier geweckt werde.

Dass dabei auch der Landkreis eingebunden werde, wünscht sich Breitbach als »regionalpolitisches Signal«.

Die Neukonzeption des Museums mit seinen mannigfaltigen Beständen ist nicht im Handstreich zu erledigen. Das Konzept Stadt[Labor]Gießen, das Kulturamtsleiterin Simone Maiwald am Freitagabend noch einmal in der Kunsthalle erläuterte, wird dies unter Leitung des Kulturamtes mit der eigens einberufenen Steuerungsgruppe entwickeln. In diesem Gremium sitzt auch als externer Berater Matthias Henkel, der als Inhaber der Agentur »Embassy of culture« (www.embassy-of-culture.com) an einer Vision für das neue Oberhessische mitarbeitet. Mit seinem »szenischen Vortrag« stellte der Kunsthistoriker seine Fragestellungen an das »OHM« 2.0 am Donnerstagabend dem Publikum vor.

Mit einer wahren Schlagwortorgie und plakativen Bildern generierte er Aufmerksamkeit für die anstehenden Fragen: Wie soll der narrative Raum des OHM künftig gestaltet sein? Wie halten wir es mit der Vergegenwärtigung? Und wie viel Polyperspektivität wird das neue OHM ermöglichen? Von »Dekonstruktion«, »Freiräumen« und »zerebraler Bewusstseinserweiterung« sprach er, aber auch von »Städten als Metaphern des Utopischen« und einem »Museum als Identifikationsfabrik«. Im Klartext: Das Oberhessische Museum solle nicht länger ein Ort »zum Anschauen von Objekten« sein, sondern einer, an dem die Besucher »zu einer Anschauung über Objekte« kommen können.

Eine erste Idee, wie das aussehen kann, zeigt die noch bis Sonntag in der Kunsthalle zu besichtigende Rauminstallation des Trios »stern morgenstern wildegans«. Sie macht die Kunsthalle mit Holzlatten und weißen Platten zum Diskussionsforum, rückt aber auch fünf Objekte aus dem Oberhessischen Musem exemplarisch in den Fokus, ergänzt von jeweils 1000 Zeilen Text.

Welche Veränderung der Wohnkultur man an einer einfachen Ofenkachel deutlich machen kann, was sich aus der federgezeichneten Stadtansicht »urbs giesa« herauslesen lässt, oder welche Geschichte die »Säulenbatterie aus dem Gießener Volksbad« erzählt, wird am heutigen Samstag auch Thema des ersten Laborgesprächs des Stadt[Labor]Gießen sein.

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