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»Normaler« Montag im Stadtpark

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Von: Burkhard Möller

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oli_muellbeseitigung3_140_4c © Oliver Schepp

Die vermüllten Gießener Parks waren jüngst Thema im Stadtparlament. Der Wegwerfmentalität vieler Leute ist freilich kaum beizukommen. Wir haben das Gartenamt bei seiner Sisyphosarbeit begleitet.

Morgenstund hat Gold im Mund.« Hier nicht. Hier riecht sie am Montagmorgen für einige Sekunden streng, als der Inhalt des Abfallbehälters im schwarzen Sack des Gartenamts verschwindet. Immerhin: Der gut zur Hälfte gefüllte Eimer, der am Rand der Wissenschaftsachse im Stadtpark Wieseckaue steht, quoll nicht über. »Hier hält sich das in Grenzen. Drüben bei den Wiesen, auf denen die Leute gelegen haben, ist es am schlimmsten«, sagt Dirk Becker und zeigt über den Neuen Teich hinweg Richtung Waldbrunnenweg.

Der Mitarbeiter des Gartenamts muss es wissen. Seit 28 Jahren räumt er Leuten, die in den Gießener Parks und Grünanlagen Erholung suchen, den Dreck weg. Auf der Ladefläche des 2,7-Tonners liegen bereits einige gefüllte schwarze Müllsäcke. Becker war schon oben in Wieseck an der Marburger Straße unterwegs. 13 Stationen stehen auf dem Tourplan, nun sind der Stadtpark Wieseckaue und angrenzende Bereiche wie der Messeplatz und die Kastanienallee in der Eichgärtenallee an der Reihe. Je nach Wetterlage an den Tagen zuvor braucht er allein für den Stadtpark drei bis vier Stunden, um die Mülleimer zu leeren, Abfall von Wegen und aus Wiesen zu räumen, die Behälter mit den Hundekotbeuteln nachzufüllen oder im Tourplan Schäden am Mobiliar zu notieren. Wenn die Woche normal läuft, fährt er die Tour zweimal montags und freitags.

Für einen Montag nach einem Wochenende mit Traumwetter scheint sich das Müllaufkommen in Grenzen zu halten. »Normal« nennt Becker den Zustand des Stadtparks. Wie er seinem Begleiter aus der GAZ-Stadtredaktion, der sich mit Zange, Eimer, Beutel und Dreikantschlüssel nützlich macht, prophezeit hat, ändert sich das Erscheinungsbild im Bereich der Liegewiesen zwischen dem Stangenpark und der Strandbar. Einwegverpackungen und Essensreste liegen auf den Wegen und in angrenzenden Wiesen. Einige der Eimer sind aufgeklappt. »Das sind so Spezialisten: Die haben einen Dreikant und suchen nach Pfandflaschen«, weiß Becker.

Rund um einige der Abfalleimer türmt sich der Müll, auf dem Asphalt liegt und klebt der Rest einer Mahlzeit. »Pommes Rot-Weiß«, ruft Becker. Eine Spaziergängerin zieht ihren Hund zurück und schimpft über die Hinterlassenschaften: »Benehmen sich die Leute zu Hause auch so?« Eine Aussage, die Becker so ähnlich oft hört.

Über einen Mangel an Sympathiebekundungen kann sich der Stadtmitarbeiter nicht beklagen. Einige Passanten bedanken sich bei ihm, und keiner der Radfahrer, die morgens ihren Büros in der Innenstadt zustreben, kommt auf die Idee, sich über den Kleinlaster, der auf dem Weg parkt, zu beschweren. Im Gegenteil. Als Becker beiseite tritt, um eine Radlerin passieren zu lassen, sagt die: »Ich hätte auch gewartet, bis Sie fertig sind.«

Etliche der Gassigeher kennt Becker. An eine Gruppe Senioren verteilt er Kotbeutel. Einer der Ringallee-Anwohner geht mit Hunden nach eigenem Bekunden seit 40 Jahren im Stadtpark spazieren. »Früher lag hier kein Schnippel rum«, behauptet er. Da sei die amerikanische Militärpolizei den GIs hinterhergefahren und habe ihnen befohlen, nach dem Barbecue aufzuräumen.

Den allgemeinen Wegwerftrend bestätigt der städtische Saubermann. Becker: »Es gibt definitiv mehr Müll als früher.« Nach knapp zwei Stunden ist die Ladefläche bereits fast vollständig mit den schwarzen Müllsäcken bedeckt. An manchen Tagen gibt es sogar zwei Fuhren.

Zeit fürs Frühstück. Der Appetit ist Dirk Becker nicht vergangen. Er würde wohl auch verhungern, wenn ihm sein Job auf den Magen schlagen würde. »Das wollen Sie gar nicht wissen, was ich schon alles gesehen und gerochen habe.« Stimmt.

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