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Noch lange nicht am Ende

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Von: Kays Al-Khanak

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Die Frage nach der Verwertbarkeit von gehackten Daten eines Krypto-Handy-Anbieters steht weiter im Mittelpunkt des Gießener Verfahrens. © DPA Deutsche Presseagentur

Gießen (khn). Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Der Spruch des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl gilt nicht uneingeschränkt für Juristen. Denn diese interessiert nicht nur das Ergebnis einer Ermittlung, sondern der Weg dorthin. Kein Wunder, dass sich vor allem die Verteidiger des Hauptangeklagten auch am siebten Verhandlungstag des Prozesses gegen mutmaßliche Drogenhändler mit Verbindungen zu einem auf dem Balkan operierenden Kartell auf dieses Thema fokussieren.

Die Diskussion um die Verwertbarkeit der Daten von kryptierten Smartphones des Anbieters Sky-ECC, über deren Erlangung der französische Staat eisern schweigt, gleicht auch am siebten Tag des Verfahrens einem Kampf gegen Windmühlen - auch angesichts der Tatsache, dass der Bundesgerichtshof dies in Bezug auf einen anderen Anbieter bereits bejaht hat.

Nicht mehr damit auseinandersetzen muss sich einer der vier Angeklagten, denen seit Oktober im externen Sitzungssaal des Landgerichts Gießen am Stolzenmorgen der Prozess gemacht wird. Das Verfahren gegen den Gießener war abgetrennt worden; in der Zwischenzeit ist der 47-Jährige wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Die übrigen Angeklagten sollen bandenmäßig Drogen in nicht geringer Menge eingeführt und transportiert haben - zum Beispiel nach Gießen, aber auch aus den Niederlanden, Spanien oder Kroatien nach Montenegro. Der Hauptangeklagte soll von einem 45 Jahre alten Mann aus Marburg und einem 63-jährigen Kreis-Gießener unterstützt worden sein. Das Verfahren ist eines der ersten bundesweit, das auf von Europol übermittelten Daten aus gehackten Kryptohandys von Sky-ECC basiert.

Am gestrigen Dienstag standen diese Daten wieder im Mittelpunkt des Verfahrens. Geladen waren drei BKA-Beamte, die mit deren Sicherung und Aufarbeitung befasst waren. Obwohl die IT-Forensiker nur als Dienstleister für die zuständigen Ermittler beim BKA fungiert haben, konfrontierten die drei Anwälte des Hauptangeklagten vor allem den ersten Zeugen knapp zwei Stunden lang auch mit allerlei inhaltlichen Fragen. Auf die hatte der Beamte als Aufbereiter - nicht als Auswerter - naturgemäß keine Antwort. Dies machten die Verteidiger so ausgiebig, dass selbst der mit einer Engelsgeduld agierende Vorsitzende Richter Peter Neidel freundlich intervenieren musste. Der Beamte erklärte, dass er die Daten in Form von drei DVD und einem Link zu Verfügung gestellt bekommen und dann aufgearbeitet habe. Ziel sei gewesen, die einzelnen Excel-Dateien, die je einen Chat darstellten, für einen besseren Überblick, zusammenzuführen und zeitlich zu ordnen.

Bei all den vielen Fragen zur Dateiaufbereitung kommt einem der beiden Anwälte des 45 Jahre alten Marburgers der Inhalt zu kurz; dies machte Sascha Marks pointiert in nur wenigen Sätzen deutlich. »Wir können uns monatelang über die Technik unterhalten«, aber vorher sollte geklärt werden, ob ihrem Mandanten die Kennung des gehackten Kryptohandys zuzuordnen ist. Ihr Mandant verneine dies. Und wenn das der Fall sei, müsse er umgehend aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Staatsanwältin Mareen Fischer verwies jedoch darauf, dass es sehr wohl Sachbeweise für die Beteiligung des Marburgers an den Drogengeschäften gebe,

Richter Neidel sagte, er habe »großes Verständnis« für den Aufklärungsbedarf. »Das wollen wir auch.« Jedoch betonte er: »Wir sind noch lange nicht am Ende der Beweisführung.« Die wird Mitte Januar fortgesetzt - und wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Verfahren wie dieses dauerten laut Marks ein bis zwei Jahre.

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