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Naturschützer sehen Rechtsbruch

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Von: Burkhard Möller

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Gut möglich, dass sich solche Protest-Bilder wie aus dem Dezember 2011 im nächsten Winter am Schwanenteich wiederholen werden. © Oliver Schepp

Gießen (mö). Das Vorhaben der Stadt, den Dammweg am Schwanenteich neu aufzubauen und dafür die Vegetation auf der Westseite des Teichs zu roden, stößt bei zwei heimischen Naturschutzverbänden auf deutliche Kritik. In einer Stellungnahme sprechen die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) von einer »eklatanten Verletzung« von Grundsätzen des Naturschutzrechts.

Als in Teilen »überholt« und »sinnlos« abgelehnt von den Verbänden wird auch das sogenannte Pilotprojekt Bitterling, von dem der Neubau des Dammwegs ein wichtiger Bestandteil ist.

Bei den geplanten Arbeiten zur Abdichtung des Damms zwischen Schwanenteich und Wieseck handele es sich um einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes. Danach sei der Verursacher eines Eingriffes verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Der geplante Abtrag und Neuaufbau des Dammes verletze diese Verpflichtung »in eklatanter Weise«, erklären die Verbände, die ihre Stellungnahme auch den Fraktionen des Stadtparlaments übermittelt haben. Mit den geplanten Arbeiten werde der »maximal mögliche Eingriff« durchgeführt, obwohl es nachweislich umweltschonendere, preiswertere und fachlich günstigere Alternativen zum Abtrag und Neubau des Dammwegs gebe.

»Dauerhafte Verschlechterung«

Negative Folgen sehen die Verbände für die Vogelwelt am Schwanenteich. Das Gebiet sei das »wichtigste Brutgewässer für Wasservögel im gesamten Stadtgebiet«, darunter streng geschützte Arten. Ihr wichtigstes Lebensraumelement sei der fast geschlossene Baum- und Strauchgürtel an den Längsufern. Dieser biete Schutz vor Störungen und sei Brutplatz und Nahrungsquelle für die Wasservögel.

Aus Sicht der beiden Verbände gibt es »keinen zwingenden Grund, unter Missachtung des geltenden Rechts, die Abdichtung des Schwanenteiches zur Wieseck hin mit einem Totalverlust des Gehölzbewuchses durchzuführen«. Die geplante Abholzung Schatten spendender Bäume wird nach Überzeugung der Naturschützer zu einer Erwärmung des Gewässers und somit zu einer »dauerhaften Verschlechterung der Gewässerökologie« führen.

Kritisiert wird in diesem Zusammenhang unter anderem auch die Absicht, einen Nebenarm der Wieseck als Fischhabitat anzulegen. Hier bestehe die Gefahr, dass dieses Nebengerinne in Dürresommern trockenfällt und für Fische zu einer »tödlichen Falle« werde. Der zehn Jahre alte Plan für den Schwanenteich sei an die Herausforderungen des Klimawandels nicht angepasst worden. Forderung der Naturschützer: »Die Planung ist unter Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten zu überarbeiten und erneut genehmigen zu lassen.«

Der auch bei der Bürgerversammlung am Montagabend geäußerten Meinung, dass die aus 2013 stammende behördliche Genehmigung des »Pilotprojekts Bitterling« überholt und damit »obsolet« sei, wie die beiden Naturschutzverbände schreiben, hatte der Planer der Stadt vom Büro Floecksmühle aus Aachen widersprochen. Die Planung sei artenschutzrechtlich auf einem aktuellen Stand, sagte der Planer und verwies zudem auf eine 2018 in Abstimmung mit dem Landkreis Gießen vorgenommene »Anpassung der Genehmigungsplanung«.

Noch kein Magistratsbeschluss

Seit Montagabend ist klar, dass die Stadt nicht nur den Damm sanieren, sondern für knapp vier Millionen Euro das 2012 nach einem Bürgerbegehren auf Eis gelegte »Pilotprojekt Bitterling« zügig umsetzen will. Beschlossen werden soll das am 6. Oktober im Stadtparlament.

Beraten werden soll ein entsprechender Magistratsantrag laut der am Dienstag veröffentlichten Tagesordnung in der Sitzung des Umweltausschusses am 20. September. Einen Beschluss des Magistrats gibt es aber noch nicht. Er soll am kommenden Montag und damit einen Tag vor der Ausschusssitzung erfolgen. Die Unterlagen, die normalerweise auf der Internetseite der Stadtverordnetenversammlung ab Dienstag hätten eingesehen werden können, sind noch nicht eingestellt worden. »Vorlage wird nachgereicht«, heißt es auf der Tagesordnung.

Findet das Vorhaben in der Parlamentssitzung am 6. Oktober eine Mehrheit, wird der Dammweg wohl gleich im Herbst oder Winter gerodet. Der Magistrat steht mit der Anmeldung des Schwanenteich-Projekts für das Investitionsprogramm Hessenkasse nämlich unter Zeitdruck. Maßnahmen, für die Geld aus diesem Topf verwendet wird, müssen bis Ende 2024 abgewickelt sein. Von den 3,8 Millionen Euro für das »Pilotprojekt Bitterling« sollen 1,3 Millionen Euro aus der Hessenkasse kommen.

Abzuwarten bleibt, ob es nach dem 6. Oktober zu einem neuerlichen Bürgerbegehren kommt oder rechtliche Schritte gegen die Umsetzung des Projekts und damit die Rodung unternommen werden.

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