Nächster Schritt für die Gummiinsel in Gießen

Der Wandel der Gummiinsel in Gießen ist im vollen Gange. Nun folgt der nächste Bauabschnitt. Mit der Sanierung sind die meisten Insulaner zufrieden. Aber nicht alle.
Wenn jemand ein fundiertes Fazit über den ersten Bauabschnitt auf der Gummiinsel ziehen kann, dann ist es Annke Rinn. Die Quartiersmanagerin spricht nicht nur täglich mit den Bewohnern der Siedlung, ihr Büro liegt auch direkt gegenüber der beiden Rotklinkerhäuschen, die in den vergangenen Monaten aufwendig saniert und umgebaut worden sind. Es hat also Gewicht, wenn Rinn sagt: »Die Häuser sind richtig schön geworden. Fast alle sind total zufrieden.« Eine Einschätzung, die Wohnbau-Chef Reinhard Thies und Prokuristin Sabina Germeroth gerne hören. Schließlich laufen die Planungen für den zweiten Bauabschnitt bereits auf Hochtouren.
Es ist ein ehrgeiziges Unterfangen: Die einstigen Notquartiere für Familien jenischer Gewerbetreibender, Schausteller, Altwarenhändler und Nachfahren heimischer Sintifamilien stammen aus den 1930er Jahren. Ein menschenwürdiges Leben war zuletzt aber kaum noch möglich. Zu klein, zu alt, zu marode waren die Bauten. Und so beschloss die Wohnbau, die 78 zweigeschossigen Backsteinhäuschen zu sanieren. Bund, Land und Stadt steuerten erhebliche Fördergelder bei. 2017 begann der Umbau. Im Frühjahr dieses Jahres waren die ersten beiden Blöcke fertig. Neben der Sanierung der Häuser sollen nun auch noch die Kanäle modernisiert werden, die Mittelhessischen Wasserbetriebe wollen ein Trennsystem anlegen.
Wie Rinn sagt, sind die meisten der neuen Bewohner zufrieden. Aber eben nicht alle. »Dabei handelt es sich aber in der Regel um Kleinigkeiten«, sagt die Quartiersmanagerin und nennt als Beispiele nicht korrekt schließende Türen oder zu warme Keller. Die Zusammenlegung von Wohneinheiten habe zudem dazu geführt, dass nun Durchgänge direkt an Kellertreppen vorbeiführen und keine Absicherung vorhanden sei. Vertreter der Interessengemeinschaft Gummiinsel hätten dieses Problem angesprochen und konstruktiv nach einer Lösung gesucht. Es gebe aber auch Bewohner, die weniger diplomatisch vorgingen und das Bauordnungsamt eingeschaltet hätten, fügt Thies an. Dabei sei eine Lösung durchaus umsetzbar. Für die bereits umgebauten Häuser könnte zum Beispiel ein einfaches Gitter genügen. Der Wohnbau-Chef betont in diesem Zusammenhang, dass eine Sanierung von denkmalgeschützten Kleinsthäusern unweigerlich Kompromisse mit sich bringe. Mit Neubauten sei das nicht zu vergleichen - auch wenn die Kosten der Sanierung ähnlich hoch seien.
Kanäle werden saniert
»Wir haben viele Erfahrungen gesammelt, die nun positiv in den zweiten Bauabschnitt fließen können«, sagt auch seine Wohnbau-Kollegin Germeroth. Die Leiterin des Kundenzentrums betont, dass neben den Anforderungen des Denkmalschutzes auch die komplizierten Rahmenbedingungen der Förderung eine große Herausforderungen gewesen sei. Germeroth geht aber davon aus, dass die nächsten Bauabschnitte wegen der Vorkenntnisse schneller über die Bühne gehen.
Das dürften die Bewohner gerne hören. Schließlich war die Verzögerung während des ersten Bauabschnitts für viele eine Belastung, zumal sie in der Zwischenzeit in Ausweichquartieren untergebracht waren. Damit müssen sich nun auch die Betroffenen des zweiten Bauabschnitts arrangieren. Hinter den Kulissen wird dafür schon fleißig gearbeitet. Sichtbar wird die Maßnahme aber wohl erst im Frühjahr. »Dann geht es im Läufertsröder Weg weiter«, sagt Germeroth und fügt an, dass dort zwei Häuserblöcke mit jeweils sechs Wohnungen saniert werden sollen. Einen konkreten Termin für die Fertigstellungen nennen die beiden Wohnbau-Vertreter aber nicht. Sie wollen keine Erwartungen schüren. Germeroth lässt sich dann aber doch etwas entlocken: »Es wäre super, wenn es nicht länger als eineinhalb Jahre dauert.« Damit dürfte sie in der Gummiinsel auf viel Zustimmung stoßen: Land in Sicht.
Nicht nur wegen ihrer soziokulturellen Bedeutung hat die Sanierung der Gummiinsel bundesweit für Aufsehen gesorgt. Auch die Art der Förderung ist besonders. Für den jetzt fertiggestellten Bauabschnitt kommt rund eine Million Euro aus dem Bundes-Programm »Nationale Projekte des Städtebaus«, das sonst eher Schlösser oder Herrenhäuser bezuschusst. Ab dem zweiten Bauabschnitt wird das Bund-Länder-Programm »Soziale Stadt«, bei welchem auch die Stadt Gießen einen kleinen Anteil trägt, greifen, sagt Wohnbau-Chef Thies.