Nachhilfe, die Spaß macht

31 Gießener Grundschüler haben die Sommerferien herbeigesehnt. Aber nicht, um Ferien zu machen, sondern um in die Schule zu gehen. Das Projekt Deutschsommer hat sich als eine besondere Form von Nachhilfeunterricht in Gießen etabliert. Die Kinder machen sprachlich »Sprünge nach oben«.
So schnarcht doch kein kleiner Junge, aber Emre grunzt wie sein eigener Opa - in die Kamera. Im Moment ist er Schauspieler und genießt seine Rolle hörbar. So wie die anderen Jungs und Mädchen in den blauen T-Shirts, die im Film aus dem Klassenraum stürmen. »Ronjas Monster« heißt der halbstündige Streifen, der beim diesjährigen Deutschsommer in den ersten drei Wochen der Ferien entstanden ist. So wie die Zeitung, in die Fatemeh über die Dreharbeiten geschrieben hat: »Das war der totale Hammer.« In ihrem kleinen Text fehlt das ein oder andere Komma, aber ansonsten ist alles richtig. »Wir registrieren bei den Schülerinnen und Schülern klare Sprünge nach oben«, sagt Claudia Jirka, die den Deutschsommer koordiniert.
Der Deutschsommer ist ein Angebot für Grundschüler/innen aller Gießener Grundschulen, in deren Elternhäusern überwiegend kein Deutsch gesprochen wird. Erfunden hat ihn die Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt, wo sich das Format bewährte und mittlerweile in mehreren hessischen Städten angeboten wird. In Gießen haben sich acht der 15 Grundschulen in diesem Jahr beteiligt.
In den drei Wochen können die Drittklässler spielerisch ihre Deutschkenntnisse festigen und verbessern. Das dritte Schuljahr sei für diese besondere Sprachförderung gewählt worden, weil die Kinder ein Jahr später auf die weiterführenden Schulen wechseln, erläutert Schuldezernentin Astrid Eibelshäuser am Donnerstag bei der Bilanzpressekonferenz, an der auch der neue Leiter des Staatlichen Schulamts, Norbert Kissel, und Ralf Volgmann für die Trägergesellschaft Gießen@Schule GmbH teilnahmen. Auch er spricht von einem Erfolg. »Wir bekommen aus den Schulen positive Rückmeldungen, dass die Kinder nach den Ferien sprachlich verbessert zurückgekommen sind«, sagt Volgmann. Evaluiert werden die drei Wochen durch zwei Deutschtests zu Beginn und am Ende.
Wegen Lockdown doppelt wichtig
In diesem Jahr sei der Deutschsommer doppelt wichtig gewesen, verweist Koordinatorin Jirka auf den »langen Lockdown«, den die Kinder weitgehend in den Familien verbracht hätten. Die Gefahr, dass das Erlernte verloren geht, sei noch größer gewesen. Schulamtsleiter Kissel, selbst lange Jahre Leiter einer Schule mit hohem Migrationsanteil in Pohlheim, pflichtet bei: »Es sollte unbedingt vermieden werden, dass die Kinder Mischsprachen entwickeln.«
Beim Deutschsommer, der zum vierten Mal in Gießen durchgeführt wurde und vom Hessischen Kultusministerium und der Stadt Gießen finanziert wird, wird die Sprachkompetenz spielerisch gestärkt. Theater-, Film- und Zeitungsprojekte standen im Vordergrund. Wenn möglich, wurden die Aktivitäten wegen der Corona-Pandemie nach draußen verlegt. Ein Ausflug führte in die Hardtgärten am Oberen Hardthof. Zu kurz kam in diesem Jahr aus infektiologischen Gründen das gemeinsame Singen, was Musikpädagogin Jirka besonders schmerzt. »Wir haben eine bisschen durch die Masken gesummt«, erzählt die frühere Leiterin der städtischen Musikschule.
Unterstützt wurde die Arbeit in zwei Gruppen unter anderem von Filmemacherin Janna Athena Pinsker, die mit den Kindern einige Szenen nach den Motiven Astrid Lindgrens Ronja Räubertochter drehte. Den Kindern hat es jedenfalls viel Spaß gemacht, wie man auch der von ihnen gemachten Zeitung entnehmen kann. Henok erzählt darin einen schönen Wortwitz: »Wie nennt man einen Keks, der unter einem Baum liegt? Schattiges Plätzchen.«