Nachdenken über Film

Gießen (dkl). Die Arbeit des Kunstvereins besticht durch ihre Regelmäßigkeit, allen Corona-Einschränkungen zum Trotz. Nach dem sommerlichen Zwischenspiel durch Kunstpädagogik-Studierende ist jetzt das Werk des Filmkünstlers Jürgen Heiter aus Köln im Kunstkiosk am Alten Friedhof zu erleben.
Jürgen Heiter hat für die Ausstellung beim Gießener Kunstverein zwei langjährige Freunde eingeladen mitzumachen: Cony Theis und Werner Fleischer Die Malerin Cony Theis war 2016 schon mal beim Kunstverein zu Gast, mit ihren Malereien auf die eigene Haut. Heiter kommt nach Gießen über die Kooperation mit dem Foto- und Videokünstler Andreas Walther. Die beiden verbindet ebenfalls eine langjährige Zusammenarbeit beim Filmemachen.
Ein Wiedersehen mit Cony Theis
Vor dem Archiv« heißt die komplexe Präsentation, in deren Zentrum das filmische Werk von Heiter steht: eine Festplatte auf einem Sockel. Darauf gebannt sind 40 Filme verschiedener Länge mit insgesamt etwa 60 Stunden Laufzeit. Künftige Filmarchivare werden sich darüber freuen. Die Filme werden in der aktuellen Ausstellung aber nicht gezeigt, auch nicht in umliegenden Kinos. Thema ist das Nachdenken über Film.
So zeigen die Aquarelle von Cony Theis die Titel von Büchern, Zeitschriften und Flyern, die sich mit Film beschäftigen. Es ist quasi die visualisierte Filmbibliothek des Regisseurs und zeigt, woher er all seine Anregungen bezieht. Eindeutig aus dem französischen Film, viele Titel zeigen französische Namen. Im Gespräch bekennt er sich dann zu Robert Bresson, dessen formal reduzierte Filme und Filmtheorie um 14 Uhr sämtliche Regisseure der Nouvelle Vague beeinflusst haben.
Gehen wie John Wayne
Die Raumnische mit zwei kleinen Bildschirmen zeigt links einen Film mit verschiedenen Personen, die die Treppe einer Villa heruntergehen, jede hat etwas in der Hand. Auf dem rechten Bildschirm sind Zitate zu lesen, in denen Filme und das Filmemachen reflektiert werden. Die Erklärung des Regisseurs setzt noch einen obendrauf. Bei einem Workshop sollten die Teilnehmer wie John Wayne im Film »Eldorado« laufen, das Gewehr in einer Hand tragend. Das Nachgestellte wirkt wie eine Persiflage, war aber ein ernsthafter Versuch mit der Erkenntnis: Der typische Gang von John Wayne lässt sich kaum nachahmen. Also bleibt er immer zwei Personen, die Filmfigur und er selbst. Die französischen Filmemacher setzten hingegen darauf, dass die Schauspieler »sich selbst entleerten« und quasi komplett zur Filmfigur werden.
Solcherlei Nachdenken über Film möchte die Ausstellung anstoßen. Dazu hat Autor Werner Fleischer ein Register mit Namen und Stichworten zu Filmen von Jürgen Heiter erarbeitet, das als Kunstwerk an der Wand hängt, aber auch zum Blättern und Lesen ausliegt. Es sei das Endkapitel für ein zukünftiges Buch über Jürgen Heiter. Ob es je erscheint, wird die Zukunft zeigen.
Heiter hat bereits filmische Installationen für Ausstellungen konzipiert, eine Ausstellung über das Filmdenken, noch dazu mit Kollegen aus anderen Kunstsparten. Das geschieht beim Kunstverein Gießen zum ersten Mal. Zur Präsentation gehören noch zwei kurze Filme mit Ton auf Flat-screens. Bei einem steht das Vorlesen eines Textes im Zentrum, in dem zwei Maler über Malerei reflektieren. Und nebendran wurde eine Kammer zum Ein-Person-Kino umfunktioniert, in dem der 46-Sekunden-Film »Blätter und Wind« zu sehen ist: Udo Kier rezitiert mit heiserer Stimme einen Text des Übergangs vom Leben zum Tod.