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Mystische Stunden an der Eule-Orgel

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Von: Sascha Jouini

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Felix Mende an der Orgel. © Sascha Jouini

Gießen (jou). An Musikhochschulen gehe es im Studiengang Kirchenmusik recht familiär zu, bemerkte Kantor Michael Gilles beim 60. Mittwochskonzert in der Bonifatiuskirche. Angesichts der überschaubaren Zahl der Studierenden kenne jeder jeden. Nicht zum ersten Mal ließ Gilles so seine Kontakte spielen, um einen hervorragenden Organisten zu gewinnen, und präsentierte seinen ehemaligen Kommilitonen Felix Mende.

Der hatte in Leipzig das Orgel-Meisterklassenexamen mit Auszeichnung abgelegt und ist seit 2018 Kantor und Organist an der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Martini in Bremen-Lesum. Unter dem Motto »Mystische Stunden« bot Mende auf der Eule-Orgel ein in sich rundes, betont spirituelles Programm.

Einen fröhlichen Einstieg lieferte Andrea Lucchesis klassische Sonate C-Dur mit spielerisch anmutender Motivik und reizvollen Nah-fern-Effekten. Mit seiner gleichermaßen virtuosen wie finessenreichen Interpretation weckte Mende hohe Erwartungen, denen er im weiteren Verlauf des Konzerts vollauf gerecht wurde.

So unbeschwert-leicht wie diese Sonate sollte die Musik indes nicht bleiben. Charles Tournemires »Petite rhapsodie inmprovisée« führte vom klanglich schwebenden Beginn zu einem geheimnisvollen Teil, dessen Magie Mende fantasievoll einfing. Bei der Rhapsodie handelt es sich um improvisierte, von Tournemire 1930 selbst aufgenommene Musik, die sein Schüler Mau- rice Duruflé später notierte.

Wieder von anderer Art war Johann Sebastian Bachs Präludium c-Moll BWV 546 mit dem spannungsgeladenen, Leidenschaft verströmenden akkordischen Auftakt. Mende spielte das Stück in feierlich-ruhiger Bewegung und unterstrich die architektonische Komplexität. Die klare Vortragsweise gefiel auch bei der anschließenden tiefernsten Fuge. Wie so oft bei den Mittwochskonzerten gab die Musik den Hörern Raum zur geistigen Besinnung und erfuhr mit dem strahlenden C-Dur-Akkord eine erhebende Schlusswendung. Noch stärker zur inneren Sammlung animierten danach die Versetten aus Léon Boëllmanns »Heures Mystiques« op. 30. Ursprünglich vornehmlich fürs Harmonium für den liturgischen Gebrauch konzipiert, versetzten die 23 nach Tonarten geordneten Versetten in eine meditative Sphäre. Die zurückgenommene Tonstärke unterstrich den intimen Charakter; gezielte Steigerungen intensivierten die Wirkung. Mende ließ die Hörer in seiner inspirierten Darbietung in einen faszinierenden Mikrokosmos eintauchen - ein hörenswertes Konzert, das den Besuchern noch lang haften bleiben wird. FOTO: JOU

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