Multitasking am Bass

Gießen (gl). Da sage noch mal einer, Männer seien nicht multitasking-fähig. Was Matthias Bauer am Freitagabend in der Reihe »Musik im Pausenraum« am Kontrabass zeigte, war jedenfalls ein eindeutiger Gegenbeweis. Tom Johnsons Stück »Misserfolg«, der Titel ist hier quasi Programm, muss zwangsläufig zum Scheitern führen. Schließlich steigert sich die Anforderung von Takt zu Takt.
Und zwar muss der Kontrabassist parallel zu seinem Spiel einen Text sprechen, am Ende gar frei das Gesprochene improvisieren. »Ein sehr schwieriges Stück«, heißt das Kontrabass-Solo im Untertitel, schließlich müssen Text und Noten quasi gegenläufig interpretiert werden - schnell zu langsam, aufgewühlt zu ruhig, betont zu unbetont. Ob Bauer bei der Koordination dieser Elemente tatsächlich einen »Misserfolg« erlebt hat? Wer weiß das schon ohne einen Blick in die Partitur.
»Schweinegrippe« elektroakustisch
Das Publikum der vom Kulturamt initiierten und nach längerer Pause wieder gestarteten Reihe »Musik im Pausenraum« genoss auf jeden Fall das, was die drei Musiker aus Berlin - Matthias Bauer am Kontrabass, Maria Lucchese als Performerin mit Stimme, Körper und allerlei Klangexoten und Ralf Hoyer als elektroakustischer Klangregisseur am Mischpult - unter dem Titel »between expectations« servierten. Das Publikum erfüllte ihnen die Bitte, mit »vorurteilsfreier Neugier« zuzuhören, nur allzu gerne. So konnte Ralf Hoyer bei »4 Worte 09« in einer vierkanaligen elektroakustischen Komposition die von der Gesellschaft für deutsche Sprache erkorenen »Wörter des Jahres 2009« zerpflücken, verdoppeln, zerlegen, interpretieren ... Selten haben »Abwrackprämie«, »kriegsähnliche Zustände«, »Schweinegrippe« und »bad bank« so interessant geklungen.
Elektroakustik sorgte auch bei Georg Katzers »Pandoras Kiste« für Kontrabass und Stimme für akustisches Spektakel. Während der Text des einstigen DDR-Elektromusikpioniers den ökologischen Untergang der Welt thematisierte, traktierte sein ehemaliger Meisterschüler Matthias Bauer den Bass dazu auf jede nur erdenkliche Weise, bevor anschließend Maria Lucchese bei ihrer Stimmperformance »mit obligatem ocean drum« ihrer Stimme die unerwartbarsten Klänge entklockte: juchzen, schnalzen, Klicklaute, dazu allerlei Percussioneinlagen - einfach wunderbar. Ebenso Ralf Hoyers Elektroakustik-Stück »Vier Entfaltungen«, das das Kontrabassspiel Bauers sich im Vier-Kanal-Zuspiel in den Raum hineinentfalten ließ.
Nach einer kurzen Pause brachte dann die Performance von Bauer, Hoyer und Lucchese unter dem Titel »The Alchemists Laboratory« die Zuhörer endgültig in akustische Dimensionen »zwischen den Erwartungen« - inklusive eines berührungslos gespielten Theremins und allerlei Gongs, Klangschalen und archaischen Flöten.