Vom Modell zum Objekt
Ein fehlendes Ersatzteil einfach selbst drucken? Seit Dienstag geht das mit den 3D-Druckern im Gießener Kreativzentrum MAGIE. Gründer Nils Seipel und Johannes Schmid zeigen wie’s geht.
Nach Inspiration haben in der Georg-Phillipp-Gail-Straße 5 schon viele gesucht. Früher waren es Gläubige der neuapostolischen Gemeinde auf dem Weg zu Gott. Heute frönen junge Gründer in der ehemaligen Kirche innovativen Techniken auf der Suche nach neuen Ideen. 3D-Drucker, Virtual-Reality-Brille und Lasercutter sind die Reliquien, um den Gießenern vom Schüler bis zum Unternehmer neue Technologien näher zu bringen. Am Dienstag öffnet der sogenannte »Makerspace Gießen«, kurz MAGIE, seine Türen.
Es riecht nach Holz und frischem Kaffee in dem lichtdurchfluteten, hohen Raum, der rund 170 Quadratmeter misst. Einige Tage vor der offiziellen Eröffnung wird im MAGIE noch aufgebaut. Ein junger Mann trägt eine OSB-Platte vorbei. Im Flur kramt jemand in einer großen Box mit Schrauben. Projektleiter Nils Seipel (26) steht vor einer Tischreihe mit drei Geräten darauf. »Das sind drei unserer fünf 3D-Drucker«, sagt er und zeigt anschließend auf eine weitere Tischreihe mit Computern. »Das ist unser Designbereich und hier drüben kommt eine Ausstellung mit Ausdrucken hin.«
Das MAGIE betreiben der Umweltmanager und sein Geschäftspartner, der Psychologe Johannes Schmid (30), vorerst nur in den kommenden drei Monate. Gelder dafür kommen vom Technologie- und Innovationszentrum Gießen GmbH (TIG), der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU).
Das Motto der offenen Werkstatt zwischen Grünberger und Licher Straße lautet »Druck dir deinen Prototyp, dein DIY-Projekt oder dein Ersatzteil«. Dazu eingeladen sind unterschiedliche Zielgruppen von Kindern bis Erwachsene und von Laien bis Profis. Für die Gießener Allgemeine werden schon vor der Eröffnung die Maschinen angeworfen und ein Sonderwunsch erfüllt.
Während der 3D-Drucker aufheizt, wechselt Seipel zum Computer und öffnet ein Programm. Auf einer karierten Fläche zieht er mit der Maus ein Rechteck als Gehäuse und Zylinder als Linse und Knöpfe auf. Binnen Minuten ist so eine Kamera auf dem Bildschirm zu erkennen. Das 3D-Modell für die GAZ kann man auf dem Bildschirm drehen und wenden. Die Datei speichert er auf einer SD-Karte und schiebt diese in den Drucker gegenüber. Eine Taste drücken und schon surrt der 3D-Drucker los. Die Düse saust über die Unterlage und bald ist das Rechteck zu erkennen, das eben noch am Bildschirm zu sehen war. Etwa zehn Minuten später hält er die rund ein Zentimeter große Miniatur aus Kunststoff in der Hand.
»Gerade der 3D-Druck ist sehr einfach und man sieht schnell den Erfolg«, sagt Seipel. Deshalb eigne er sich so gut, um Menschen an neue Techniken und die Digitalisierung heranzuführen. Komplexere Teile herzustellen, könne allerdings schwierig sein. Dabei könne ein 3D-Scan mit der Spielekonsole Xbox Kinekt helfen. Im 3D-Drucken haben die Unternehmer selbst erst vier Wochen Erfahrung. »Wir wollen es gemeinsam mit den Leuten lernen«, sagt er.
Die beiden Männer haben vor rund drei Jahren »Flux-Impulse« gegründet, eine Kreativ-Agentur für Dialog und Aktivierung. Für das MAGIE haben sie ambitionierte Ziele: Gründungen rund um den 3D-Druck fördern, regionalen Firmen die Technik näher bringen und Potenziale in Didaktik, Nachhaltigkeit, Kunst, Technik und Kreativarbeiten erschließen. Darüber sollen die Besucher auch zum Nachdenken gebracht werden, etwa durch die Ausstellung eines illegalen 3D-Kunstdrucks der ägyptischen Königin Nofretete und einer in 3D ausgedruckten Waffe.
Experimentieren kann man im MAGIE vom 10. April bis zum 23. Juni dienstags, mittwochs, freitags und samstags von 16 bis 20 Uhr. Zudem finden Diskussionen, Vorträge, Kurse und Workshops zum Thema 3D-Druck statt sowie Netzwerkabende für Gründer. Ob es das MAGIE weiter geben wird, ist unklar. Nachmieter in der Phillipp-Gail-Straße ist jedenfalls die Genossenschaft raumstation3539. Schmid und Seipel wollen während der nächsten Monate mit Fragebogen ermitteln, ob es sich lohnt weiterzumachen. So oder so ist Schmid sich sicher: »Das Thema 3D-Druck wird die Zukunft prägen.«