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Mit reichlich Schlagobers

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Isabella Archan plaudert von der »Mördermitzi«. © Christian Lugerth

Gießen Wer die österreichische Küche kennt, weiß, dass jene reichhaltig ist. Vor allem die Mehlspeisen. Dass Krimis dieser Provenienz ähnlich sättigend sein können, bewies Isabella Archan, die im Netanya-Saal aus dem vierten Band ihrer »Mördermitzi«-Reihe las. Wobei, gelesen wurde selten, im Wesentlichen war der Abend, eine »MordsTheaterLesung«, wie die Autorin ihre Vortragsform nennt, ein Reden über den Roman namens »Die Mördermitzi und der Schattenmann«.

Archan, die den ganzen Abend vor schierer Energie und Erzähllust vibrierend, auf einer Minibühne stand, freihändig und ausdrucksverstärkend gestikulierend, ab und an mit Lesemappe in der Hand, bat gleich zu Beginn die Zuhörer, beziehungsweise die durchgängig begeisterten und oft textsicheren Zuhörerinnen, die Augen zu schließen. Man möge sich bitte dies vorstellen: Zu Gast in einem teuren Hotel in den Alpen habe man eben das reichhaltige Frühstücksbüfett plündern müssen, hänge leicht erschöpft in den Seilen, als der Chef de cuisine an den Tisch tritt, einen Kaiserschmarrn serviert - das muss als krönender Abschluss noch sein - und dazu den noch nicht ganz ausgetrunkenen Hochqualitätskaffee mit reichlich Schlagobers - für den Laien in Sachen Austria: einem Schlagsahneberg - garniert. Dann schleppt man sich zum Swimmingpool, die geplante Wanderung wird auf morgen verschoben und sinkt dahin. Geweckt wird man nicht von einem Kuss von Harald Krassnitzer - dies durfte die damals junge Schauspielerin Isabella Archan, so erzählt sie mit koketter Restbegeisterung, als Gretchen auf einer Bühne erleben - nein, es ist der Hund von Baskerville, der sie ins Leben zurück schlabbert.

Eine Leiche gibt es auch noch

Und das Auditorium ist mitten drin im Krimi. Und so treten sie auf, all die schwankenden Gestalten. Maria Konstanze »Mitzi« Schlager, Hobbyermittlerin, traumatisiert von einem Kochunfall (sic!), der ihre Eltern zu Tode brachte und sie so zwanghaft die Nähe von Mördern suchen lässt, um diese, mit posttraumatischem Helfersyndrom ausgestattet, von ihrer Schuld zu erlösen. Ihr Gegenpart, die ehrgeizige Inspektorin Agnes Kirschnagel, die nicht anders will, denn die bösen Buben ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Dann Auftritt von Frankensteins Braut im rot-weiß-rot gestreiften Bademantel, vielleicht war es sogar Udo Jürgens, gefolgt von einem professionellen Komplimenteverteiler, einem »Sex Bomb« singenden alten weißen Mann, einem Theaterzitate um sich schmeißenden Laiendarsteller, das Weiße Rössl am Wolfgangsee, ein fleischfressender Klimawandelleugner, der betrunkene Kölsche, »Do simmer dabei!« lallend. Konsequent, denn Isabella Archan, geboren 1965 in Graz, ist seit 20 Jahren zu Hause in Köln. Und währenddessen wird Frau Kirschnagel schwanger, was natürlich die Ermittlungen behindert. Der Vater ist ein Kölscher Jong und der Bub soll dann heißen Anton Maria. Das erfährt man nebenbei. Ach ja, eine Leiche gibt es auch noch. Ein von zu Hause ausgerissenes Mädel. Ist aber schon länger her. Auf der Suche nach Liebe und Anerkennung begegnete sie damals dem falschen Mann. Nach zwölf Jahren findet man sie. Also ihre eingemauerte Leiche. Sie konnten soweit folgen? Und wer war der Täter? Der Schattenmann? Oder das Böse?

Ein in weiten Strecken sehr erheiternder Abend, leider zu oft wie eine perfekt inszenierte Verkaufsveranstaltung vorgetragen. Und, das vergaß die Autorin nicht zu erwähnen, weitere Ermittler und Ermittlerinnen aus ihrer unermüdlichen Feder sind auch noch im überreichen deutschen Krimibücherwald unterwegs. Das Publikum jedoch blieb begeistert, räumte den Büchertisch und erwarb so, da alle »Mördermitzi«-Bände auch über einen Epilog mit Mehlspeisenrezepten verfügen, nebenbei ein Kochbuch. Morgen dann vielleicht zum Frühstück nur einen Toast mit Butter. Und ein kleines Tasserl Earl Grey. Ohne Schlagobers. Christian Lugerth

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