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Beliebter Traditionsmetzger aus Gießen geht neue Wege

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Von: Christoph Hoffmann

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Obwohl in Deutschland gerne und viel Fleisch gegessen wird, müssen immer mehr Metzgereien ihren Betrieb einstellen. In Gießen war das zuletzt nicht anders. Die Metzgerei Engel trotzt diesem Trend.

Gießen - Dampf wabert durch die Küche der Metzgerei Engel. Verantwortlich dafür sind die vielen Kringel Fleischwurst, die in einem mit heißen Wasser gefüllten Kessel liegen. »So frisch gebrüht schmeckt die Wurst noch intensiver«, sagt Hendrik Engel. Der 35-jährige Metzgermeister führt die gleichnamige Fleischerei aus Gießen-Wieseck in der fünften Generation. Während viele Gießener Metzgereien in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Segel streichen mussten, versorgt der Familienbetrieb aus Gießens größtem Stadtteil auch 133 Jahre nach seiner Gründung von montags bis samstags die Menschen - und das nicht nur mit Fleischwurst.

Als Ludwig und Sophie Haas die Metzgerei gründeten, gab es noch keine Autos. Natürlich auch keine Smartphones, mit denen Kunden mal eben die Öffnungszeiten oder die schnellste Route erfragen können. Trotzdem kamen seit der Eröffnung 1890 regelmäßig Menschen in die Karl-Benner-Straße, um Blutwurst, Schinken und Co. bei der Familie Haas zu kaufen. Bis in die 60er Jahre war auf dem Gelände auch eine Wirtschaft samt Kegelbahn zu finden.

1921 übernahm Sohn Otto mit seiner Frau Mina dann das Geschäft, später führte dessen Tochter Emmi mit ihrem Ehemann Richard die Geschicke. »Meine Großmutter«, sagt Hendrik Engel und fügt an, dass die Metzgerei durch die Hochzeit der Großeltern den Namen Engel erhalten habe. 1982 übernahm Sohn Peter mit Frau Hildegard die Metzgerei, bevor sie das Geschäft vor zehn Jahren an Hendrik Engel übergaben.

Metzgerei Engel aus Gießen: Die ganze Familie packt mit an

Vorne, im Verkaufsraum, findet sich die ganze Palette der deutschen Fleisch- und Wurstwaren: Bierschinken, Hack, Schnitzel, Leberwurst, Pastete, Wiener und vieles mehr. »Wir kaufen nur ein kleines Sortiment hinzu, wie ungarische Salami oder Brüsseler Pastete, wo Patente gelten. Den Rest produzieren wir komplett selbst, teils auch nach Familienrezepten von früher«, sagt Engel. Das Fleisch dafür stamme zum großen Teil von Landwirten aus Mittelhessen. Angeliefert werde es aber nicht etwa als Würste oder Steaks, sondern in Form von halben Schweinen und Rindern. »Wir zerlegen hier alles selbst.«

Das ist Engel wichtig. Zum einen, um seinen Kunden gute Qualität anbieten zu können und dem Steak genügend Zeit zum Reifen zu geben. Zum anderen, weil es für den 35-Jährigen schlichtweg ein elementarer Teil seines Handwerks ist.

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Hendrik Engel (M.) kann bei den vielen Aufgaben auf die Unterstützung seiner Familie zählen. © Oliver Schepp

»Ich würde auch gerne in unserem Betrieb selber schlachten. Ich habe mich bei den Behörden darum bemüht, aber die Auflagen und Kosten sind einfach zu hoch.« Stattdessen arbeitet Engel mit einem Landwirt in der Wetterau zusammen, der es dem Wiesecker ermöglicht, ab und an selber zu schlachten. »Das führt auch dazu, bewusster mit Fleisch umzugehen«, sagt er.

Der Fleischkonsum der Deutschen ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, er liegt aber weiterhin bei knapp 60 Kilogramm pro Person. Die Nachfrage ist also groß, und dennoch steckt das Fleischerhandwerk in einer Krise. »Früher gab es in Gießen 60 bis 70 Metzger, jetzt ist es gerade einmal eine Handvoll«, sagt Engel.

Metzgerei Engel aus Gießen: Supermärkte sind größte Konkurrenz

Das liege vor allem an den Supermärkten, die ihre Fleisch- und Wurstwaren von riesigen Schlachthöfen und Industriefirmen erhielten, in denen, so sagt es Engel, die oftmals ausländischen Angestellten nicht viel besser als das Vieh behandelt würden. »Der Preis ist aber nur ein Problem«, sagt Engel, zumal Aldi, Lidl, Rewe und Co. abgesehen von einigen Lockangeboten nicht billiger seien als der Metzger um die Ecke. »Dafür kann man im Supermarkt natürlich alles auf einmal erledigen.«

Für eine Metzgerei ist es essenziell, dass die Menschen gerne Fleisch essen. Engel plädiert dennoch für einen maßvollen Konsum und hält nicht viel von abgepacktem Billigfleisch aus dem Discounter, auch wegen der unnötigen Plastikverpackung. »Dann lieber weniger. Ich esse auch nicht sieben Tage in der Woche Fleisch.«

Die Metzgerei Engel hat für ihre Wurst schon viele Preise gewonnen, allein mit Qualität sind die Herausforderungen des Marktes aber nicht zu bewältigen. Um möglichst viele Kunden zu erreichen, ist der Betrieb auf Social Media vertreteten, auf der Homepage findet sich zudem ein Online-Shop, durch den Engel seine (haltbare) Wurst bis nach Kiel und Stuttgart verkauft. »Wir befinden uns mit dem Shop aber noch in der Anfangsphase. Ein Freund von mir, mit dem ich Informatik in der Oberschule hatte, hat ihn für uns eingerichtet. Heute ist er mein Geschäftspartner.«

Metzgerei Engel aus Gießen: Nächste Generation steht bereit

Neben dem Ladenverkauf bietet die Metzgerei Engel einen bei vielen Gießenern beliebten Mittagstisch an, zudem nimmt Catering und Partyservice einen immer größeren Stellenwert ein. »Wir haben viele neue Gerichte entwickelt und bereiten in der Küche alles selber her.« Im Sommer werde auch der Grill-Service stark nachgefragt, vor allem moderne Formen wie American Cut, Porterhouse Steak oder Spareribs vom Rind.

Das alles lässt sich nicht alleine bewerkstelligen. Sechs Angestellte gehören zum Unternehmen und natürlich packen Vater Peter, Mutter Hildegard und Ehefrau Jelena mit an. Ein klassischer Familienbetrieb also, wie einst vor 133 Jahren. »Und mit unser kleinen Tochter Julia Sophie«, sagt Hendrik Engel, »steht auch schon die nächste Generation bereit.« (chh)

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