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Mensch versus Maschine

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Von: Barbara Czernek

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Die Protagonisten des Abends (v. l.): Fabian Navarro, Anneke Schwarck, Julian Heun, Felix Römer, Pauline Puhze und Moderator Lars Ruppel. © Barbara Czernek

Gießen (bac). Ein gut gelaunter Lars Ruppel hatte zu einem besonderen Poetry-Slam ins Stadttheater eingeladen: »Mensch gegen Maschine« - ein spannendes Experiment, dessen Ausgang ungewiss war. Was ist, wenn die computergenerierten Texte besser sein würden als die geschriebenen Texte der geladenen Slamer? Dieser Frage ging der Moderator mit charmanter Leichtigkeit gemeinsam mit Julian Heun, Pauline Puhze, Anneke Schwarck und Felix Römer nach.

Doch vor dem Vergnügen steht bekanntlich der wissenschaftliche Ernst, dessen kann man sich bei Ruppel sicher sein, und so holte er sich Fabian Navarro auf die Bühne. Dieser ist nicht nur ein begeisterter Slamer, sondern auch Kenner von allem, was sich um die Begriffe »Künstliche Intelligenz« (KI), »BOT«, »Roboter« oder »Künstliche neuronale Netze« dreht. So gab es zu Beginn erst einmal eine kleine Präsentation, außer Konkurrenz. Demnach könnten Künstler zu 24 Prozent durch Maschinen ersetzt werden. Ob das wirklich demnächst der Fall sein wird, das sollte der anschließende Wettbewerb unter Beweis stellen, oder auch nicht.

Liebe als tragendes Thema

Um dem ganzen einen passenden Rahmen zu geben, damit es nicht zu weitschweifig sein würde, hatte sich Ruppel das Oberthema »Liebe« ausgegeben - das sei ein Thema, wozu man wirklich keinen Christian Lindner brauche, aber jeder etwas zu sagen habe. So trugen die vier Protagonisten jeweils einen eigenen und einen KI-Text vor. Gewertet wurde - wie immer - durch eine fünfköpfige, willkürlich ausgesuchte Jury. Die Punkte wurden zum Schluss aus beiden Runden addiert und der Sieger daraus ermittelt. So konnte ein starker Text, egal ob von Mensch oder von der KI geschrieben, zum Schluss alles herausreißen.

Genauso kam es auch: Felix Römer, das Urgestein der Szene, lag mit seinem eigenen Text nach der ersten Runde auf dem zweiten Platz. Laut seiner Meinung gibt es eigentlich keine schönen Liebesgedichte, denn »wenn ich glücklich verliebt bin, dann habe ich besseres zu tun«. Jedoch schoss er - mit der mit dem Software-Programm »Eloquentron 3000« geschriebenen Liebeserklärung an Lars Ruppel - den Vogel ab und gewann zu Recht diesen hart umkämpften Wettbewerb.

Charmant, dass dieses Programm aus der Feder von Navarro stammt. Aber auch die anderen drei Mitstreiter gaben ihr Bestes. Sie verliehen den KI-Texten durch ihre Stimme Gehör. So trug Puhze den Text »Liebesbriefe« vor, der als älteste KI-Lyrik gilt. Er wurde von dem Mathematiker Christopher Strachey im Jahre 1952 erzeugt.

Die meisten Texte zeigte jedoch, dass man sich in Sachen Sinnhaftigkeit dann doch nicht so viel Sorgen machen muss, dass auf Dauer eine Maschine gewinnen würde: Die Beispiele der Computer generierten Texte waren höchst amüsant, aber nur weil ihnen jeglicher Sinn fehlte, auch wenn sie grammatikalisch völlig korrekt werden. Dada lässt grüßen! Und genau das hatte Navarro auch schon in seinem Vortrag gesagt: Eine Maschine kann nur so gut sein, wie sie vorher mit Informationen gefüttert wurde.

Als Beispiel nannte er die Digitalfotografie: Diese mache ja auch beim Knopfdruck alles alleine, und dennoch werden Menschen dahinter gebraucht: Er wählt den Bildausschnitt und justiert eventuell an den Einstellungen nach. Man kann also beruhigt sein: Sprachkünstler gehören wohl künftig nicht zu den 24 Prozent der Künstler, die durch KI ersetzt werden. Lars Ruppel braucht sich darüber sowieso keine Gedanken zu machen, dessen Eloquenz als Moderator ist sowieso einzigartig.

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