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Mehr psychisch kranke Straftäter

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In der Gießener Vitos-Klinik gibt es auch eine Forensik für psychisch kranke Straftäter. © Oliver Schepp

In der forensischen Psychiatrie in Hessen steigt die Zahl der Patienten seit einigen Jahren wieder deutlich an. Davon betroffen ist auch die Vitos-Klinik mit ihrem Gießener Standort in der Licher Straße. Einzelheiten dazu gab es bei der jüngsten Sitzung des Forensik-Beirates.

In enger Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration habe Vitos standortübergreifend Maßnahmen zur Kompensation des Anstiegs initiiert, sagte die Ärztliche Direktorin Dr. Beate Eusterschulte in ihrem Bericht. Ihren Angaben zufolge waren die Patientenzahlen in Hessen noch in den Jahren 2012 bis 2016 kontinuierlich zurückgegangen. Seiher stiegen sie wieder deutlich an. »Eine Steuerung ist nicht möglich, da die Gerichte die Unterbringung von psychisch kranken Rechtsbrechern bzw. die Beendigung der Unterbringung beschließen«, sagte die Ärztliche Direktorin.

Seit 2017 habe Vitos rund 160 neue Betten geschaffen, um die Patienten zu versorgen. Unter anderem konnten im Zuge der Erweiterung der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Riedstadt erste Stationen ihren Betrieb aufnehmen. Hessenweit waren im vergangenen Jahr durchschnittlich 853 Patient in den Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie untergebracht.

Die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina ist hessenweit für die Behandlung erwachsener psychisch kranker Rechtsbrecher zuständig. »Bei 415 Betten wurden in Spitzenzeiten zuletzt 431 Patienten behandelt«, sagte die Ärztliche Direktorin. Dies war nur durch die Schaffung weiterer Kapazitäten möglich. Am Standort Gießen wurde eine Außenwohngruppe auf dem Campus in der Licher Straße eingerichtet. Es wurden Stationen reaktiviert und eine prästationäre Aufnahmestation eröffnet. Dies erfolgte insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Durch die Quarantänestation sei das Risiko des Eintrags des Coronavirus in die Klinik minimiert worden.

Ersatzneubau in Haina bis 2025

»Wir befinden uns kontinuierlich an der Belegungsgrenze«, sagte die Ärztliche Direktorin. Aktuell seien 421 Betten belegt. Eine Entspannung der Belegungssituation werde sich vermutlich erst 2025 einstellen, wenn am Standort Haina der geplante Ersatzneubau für die Klinik bezugsfertig sei. Aktuell laufen vorbereitende Maßnahmen. Der Baubeginn soll im Herbst erfolgen.

»Mit dem Neubau geht keine Kapazitätserweiterung einher«, erläuterte Eusterschulte. Allerdings werden in den freiwerdenden Bestandsgebäuden Kapazitäten vorgehalten, um Belegungsspitzen abzufangen. Primäres Ziel des Ersatzneubaus sei die weitere Optimierung der Behandlungsqualität.« Auf sieben Stationen werde es nur noch Ein- und Zwei-Bett-Zimmer geben. In der Klinik werde fast ausschließlich Fachpersonal eingesetzt. Der Personalgewinnung - über alle Berufsgruppen hinweg - komme deshalb seit Jahren besondere Bedeutung zu. Doch auch die Klinik, die zu den größten Einrichtungen des Maßregelvollzuges in Westeuropa zählt, weltweit vernetzt ist und wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der forensischen Psychiatrie betreibt, spüre den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen.

Die Herausforderungen der Corona-Pandemie sind nach Einschätzung Eusterschultes bislang gut gemeistert worden. Sie erklärte dies mit vielfältigen Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und Patienten; unter anderem den Impfangeboten, die sehr gut angenommen worden seien. Trotzdem sei es temporär zu Infektionsgeschehen gekommen. Damit einher gingen besondere Herausforderung in der Planung der Therapien und auch des Personaleinsatzes. »Wir hoffen, dass wir ohne große Personalausfälle durch den Corona-Winter 2022/2023 kommen.«

Becher steht jetzt Forensikbeirat vor

An allen Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie sind Forensikbeiräte eingerichtet. Sie bilden ein Bindeglied zwischen den Bürgern der Kommunen und der Klinik und dienen dem wechselseitigen, kontinuierlichen Austausch. Dem in der Regel zweimal jährlich tagenden ehrenamtlichem Gremium gehören Vertreter der Fraktionen der Parlamente, Kirchen, Medien und Polizei an. Die Kommunen schlagen die Mitglieder vor. Anschließend werden sie durch die Gesellschafterversammlung der jeweiligen Vitos Gesellschaft berufen. Der neue Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher ist in der konstituierenden Sitzung des Gießener Forensikbeirats der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina zum Vorsitzenden gewählt worden. Er folgt Dietlind Grabe-Bolz. Zum neuen Stellvertreter wurde Klaus-Dieter Grothe gewählt.

Das Land Hessen hat die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie mit dem Maßregelvollzug beauftragt. Die Vitos Klinik Haina ist die größte Maßregelvollzugseinrichtung in Hessen. Aktuell werden an den Standorten Haina und Gießen rund 415 Patienten therapiert. Dabei handelt es sich um erwachsene Straftäter, die aufgrund einer psychischen Erkrankung von Gerichten nicht zu einer Haftstrafe in einer Justizvollzugsanstalt verurteilt, sondern nach Paragraf 63 des Strafgesetzbuchs in einer Klinik für forensische Psychiatrie untergebracht wurden.

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