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Mehr Privatinsolvenzen und Betreuungsverfahren

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Von: Barbara Czernek

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Die Pandemie ist weiterhin Thema am Amtsgericht. FOTO: SCHEPP © Barbara Czernek

Gießen (bac). »Das Justizsystem hat sich auch im zweiten Pandemiejahr bewährt«, resümierte Meinrad Wösthoff, Präsident des Amtsgerichts Gießen, das Jahr 2021 für seine Behörde. Dank der Anstrengung aller am Amtsgericht beschäftigten Personen habe man das anfallende Arbeitspensum gut bewältigen können; die Erledigungsdauer der einzelnen Verfahren habe sich nicht verschlechtert.

Der Durchschnitt liegt bei 6,4 Monaten.

»Natürlich haben wir auch Altfälle, diese versuchen wird jedoch kontinuierlich abzuarbeiten«, sagte Pressesprecherin Astrid Keßler-Bechthold. Warum manchmal eine lange Zeit von der Tat bis zur Verhandlung vergeht, liege oft an anderen Faktoren, die außerhalb der Möglichkeiten des Gerichts wären, erläuterte Dr. Dietrich Claus Becker, ebenfalls Sprecher des Amtsgerichts.

Bei den einzelnen Geschäftsbereichen ergaben sich einige Verschiebungen. So mussten deutlich weniger Ordnungswidrigkeiten verhandelt werden. Die meisten dieser Delikte sind Geschwindigkeitsübertretungen. Nur wurde im Lockdown weniger Auto gefahren, sodass diesbezüglich weniger Verfahren bearbeitet werden mussten (Minus 27,23 Prozent). Verstöße gegen die Pandemievorschriften »waren zwar mengenmäßig wenige, sie waren jedoch weitaus arbeitsintensiver«, sagte Becker, da einige der Angeklagten alles unternommen hätten, den Prozess zu verzögern. Entgegen landläufiger Erwartungen ist jedoch ein nennenswerter Anstieg von Unternehmensinsolvenzen ausgeblieben und bewegte sich mit 179 Fällen auf dem Niveau von 2019. 2020 fällt mit 158 bei der Betrachtung ein wenig aus dem Rahen, da sich dort pandemiebedingt die Gesetzeslage geändert hatte. Hingegen hatte das Amtsgericht bei den Privatinsolvenzen einen Anstieg von 115,86 Prozent zu verzeichnene Das führte der Präsident nicht auf die Pandemie zurück, sondern auf eine veränderte Gesetzeslage. Musste man früher sechs Jahre »Wohlverhalten« bei einer Privatinsolvenz zeigen, so wurde diese Zeit auf drei Jahre verkürzt. Diese Regelung trat 2021 in Kraft. Für das laufende Jahr erwartet das Amtsgericht, dass sich diese Fälle auf ein normales Maß einpendeln würden.

Entgegen einer landläufigen Meinung, dass immer mehr Fälle bei Gericht landen würden, verzeichnet das Gericht sowohl bei Zivil- wie auch bei Familiensachen einen rückläufigen Trend. Einen kontinuierlichen Zuwachs gibt es aber seit Jahren bei Betreuungsverfahren; dies bindet entsprechendes Personal. Auch die Nachlasssachen sind im Vergleich zu 2020 im vergangenen Jahr angestiegen.

Mit etwas Sorge blickt der Präsident in die Zukunft. Das Amtsgericht habe zwar gezeigt, dass seine Funktionsfähigkeit auch in Ausnahmefällen gewährleistet ist. Dank einer stabilen Personalstruktur konnten Lücken überbrückt werden. »Es fehlt an qualifizierten Nachwuchs, und zwar auf allen Ebenen in der Justiz«. Dies gilt sowohl für den richterlichen wie auch für den nichtrichterlichen Nachwuchs. Jedes Jahr bildet die Behörde rund 16 Auszubildende aus. »Früher bekamen wir mindestens doppelt so viele Bewerbungen jedes Jahr. Das ist nicht mehr so«, sagte Wösthoff. In puncto Frauenförderung ist man jedenfalls in der Gutfleischstraße vorbildlich: Von 266 Mitarbeitern sind 210 Frauen, damit liegt deren Anteil bei knapp 79 Prozent. »Wir hoffen, dass wir auf Dauer genügend Nachwuchs bekommen werden, denn es wird jeder gebraucht.«

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