»Mehr bieten als nur ein Bett«

Gießen (pm). Wie läuft der Aufnahmeprozesse von Geflüchteten in Hessen ab? Dies wollten Vertreter der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wissen, die mit Kirchenpräsident Volker Jung das Ankunftszentrum der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH) in Gießen besuchten. Dort erhielten die Gäste, unter denen sich auch Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher befand, einen Einblick in die Abläufe.
Begrüßt wurden sie von Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich zunächst im Hof des Ankunftszentrums. Anschließend ging es auf einen Rundgang über das Gelände, in dem die verschiedenen Verfahrensschritte aufgezeigt wurden, die die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft durchlaufen.
Das Regierungspräsidium Gießen ist seit November 2016 hessenweit für die Organisation und Steuerung der Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig. »Das Ankunftszentrum in Gießen bildet dabei das Herz«, umschrieb Ullrich den Startpunkt des Rundgangs. Er betonte, dass »uns hier in Hessen eine menschenwürdige Unterbringung wichtig ist«. Konkret bedeute dies, »den ankommenden Menschen mehr zu bieten als nur ein Bett und ein Dach über dem Kopf«.
Denn neben diesen wesentlichen Punkten zählten die Verpflegung, die medizinische Grundversorgung und auch soziale Angebote zu den Leistungen, die in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen geboten würden. »Uns ist es wichtig, zu zeigen, dass hier gute Arbeit geleistet wird«, unterstrich der Regierungspräsident.
Auf Asylantrag folgt Asylanhörung
In Hochphasen erreichen zwischen 400 und 600 Menschen täglich die Einrichtung. Aktuell würden täglich zwischen 150 bis 170 Personen pro Tag aufgenommen. Die Belegungszahl der hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen liege momentan bei etwa 5200 Personen. Von den Bediensteten sei deshalb große Flexibilität gefragt, die diese immer wieder unter Beweis stellten, sagte Ullrich.
In einem ersten Schritt gelte es, die ankommenden Flüchtlinge zu registrieren. Bei der Registrierung werden die Personalien aufgenommen, es findet eine Erfassung von biometrischen Daten zur erkennungsdienstlichen Behandlung statt. Das vorhandene Gepäck und die Personen werden auf gefährliche Gegenstände kontrolliert, es wird auch ein Covid-Test veranlasst. Es folgen weitere Schritte: Die Geflüchteten durchlaufen etwa eine medizinische Untersuchungs- und Versorgungspassage (MUVP), um ihren gesundheitlichen Zustand festzustellen. Auch ein Impfangebot wird den Neuankömmlingen unterbreitet.
In dem Prozess greifen viele kleine Rädchen ineinander. So ist nicht alleine das Ankunftszentrum auf dem Gelände in Gießen untergebracht, auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dort angesiedelt. Denn hier liegt die Zuständigkeit für den Asylantrag, hier erfolgt wenig später die Asylanhörung, die zunächst darüber entscheidet, ob die geflüchtete Person in Deutschland bleiben darf oder nicht. Zudem ist die Bundesagentur für Arbeit auf dem Areal des Ankunftszentrums vertreten. Die bietet für Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive die Möglichkeit, dort vorzusprechen.
Die Besucher sahen sich zudem die Liegenschaften an. Dazu zählt etwa das Transport- und Logistikzentrum. Von hier aus starten die Busse, um die Geflüchteten auf die weiteren Standorte zu verteilen oder sie nach ihrer Zuweisung in eine der Kommunen zu bringen. Organisiert ist das Ganze ähnlich einem Flughafen-Gate, mit den entsprechenden Wartehallen und einer Registrierungs- und Schalterhalle, wo die Vollständigkeit der Unterlagen kontrolliert wird. Daneben zählt ein weiterer Gebäudetrakt zum Bestandteil der Einrichtung. Dort ist eine Ambulanz untergebracht, die der medizinischen Versorgung der Einwohner gilt. Sie ist ähnlich eingerichtet wie eine Landarztpraxis. Verteilt auf dem Gelände finden sich weiterhin die Wohnunterkünfte und Räumlichkeiten für Unterricht, eine Kindertagesstätte oder eine Teestube.
Nach dem Rundgang schloss sich noch eine Gesprächsrunde an. »Was passiert mit Kindern, die in der Erstaufnahme untergebracht sind?«, wollte Kirchenpräsident Jung unter anderem wissen. Der Abteilungsleiter für Flüchtlingsangelegenheiten, Manfred Becker, erläuterte, dass Unterricht angeboten werde, unterteilt in Grundschul- und Fortgeschrittenen-Klassen. Diese Angebote würden »sehr gut angenommen«, schilderte Becker. Zum einen unterrichteten pensionierte Lehrer, zum anderen stelle das Schulamt Lehrkräfte bereit.
Auch für die Gestaltung der Sprachkurse interessierte sich Jung. Für ihn sei klar, dass die am Ankunftszentrum in Gießen aufgebauten Strukturen langfristig erhalten werden müssen.
Laut Jung gehört es zu den wichtigen Aufgaben der Kirche, »Menschen auch ganz konkret in Notsituationen beizustehen«. Deshalb engagiere sich die evangelische Kirche bewusst auch in der Gießener Einrichtung mit einem Beratungsangebot.