Mehr als nur den Hunger stillen

Muttermilch beinhaltet alles, was Babys brauchen. Nicht nur während der aktuellen Weltstillwoche wird der Nutzen des Stillens daher hervor- gehoben. Bei einigen Müttern klappt das jedoch nicht, anderen ist das Stillen in der Öffentlichkeit unangenehm. Darauf weist auch die Frauenklinik am UKGM hin - und gibt gleichzeitig Tipps.
Das Wort »Stillen« ist in vielen Fällen wörtlich zu verstehen. Gerade Neugeborene geben häufig erst Ruhe, wenn sie an die Brust der Mutter können. Das Nuckeln beruhigt, das gleiche gilt für die körperliche Nähe. Allen voran aber versorgt Muttermilch Babys mit allen wichtigen Nährstoffen. »Muttermilch ist die natürliche Nahrung, Stillen ist gewinnbringend für Kind und Mutter«, sagt Prof. Ivo Meinhold-Heerlein, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am UKGM. Gleichzeitig betont er, den Druck auf Mütter nicht erhöhen zu wollen. Denn einige Frauen wollen nicht stillen - und bei einigen anderen klappt es einfach nicht.
Stillhaltung fördert Weg zur Brust
Das Uniklinikum hatte für Freitag eingeladen, um anlässlich der Weltstillwoche für das Thema zu sensibilisieren. Hebamme Catrin Conrath griff dabei das Motto der Stillwoche - »Eine handvoll Wissen reicht« - auf und nannte wesentliche Aspekte des Stillens. »Stillen stillt auch viele andere Bedürfnisse über den Hunger hinaus.« Das sei zum Beispiel der direkte Hautkontakt, das sogenannte Bonding, direkt nach der Geburt. Zum anderen betont Conrath, dass sich viele Mütter sorgten, nicht genügend Milch geben zu können, da das Kind nie genug bekomme. »Das ist kein Scheitern. Im Gegenteil, es ist richtig und wichtig, dass das Kind immer wieder an die Brust will. Zum einen kommt dadurch die Milchproduktion in Gang, zum anderen lernen die Kinder so, wie das richtige Entleeren der Brust funktioniert.«
In diesem Zusammenhang stellte Conrath auch eine besondere Art des Stillens vor, das sogenannte Breast Crawling. Dabei begibt sich die Mutter in eine zurückgelehnte Haltung und legt das Baby bäuchlings auf sich. Diese Position erleichtere dem Säugling den Weg zur Brust, da seine angeborenen Reflexe zum Stillen gut wirksam werden könnten.
Manche Mütter können davon nur träumen. Bei ihnen funktioniert das Stillen entweder nicht richtig oder gar nicht. Gerade in der Stresssituation nach der Geburt könne das die Mütter regelrecht in die Verzweiflung treiben, sagt Meinhold-Heerlein.
Gesellschaftlicher Druck ist groß
»Wir nehmen uns dann natürlich Zeit und versuchen, Mutter und Kind zusammenzuführen«, betont der Klinikleiter und verweist dabei auch auf die Arbeit der Stillberaterinnen. Manchmal würden Mütter und Kinder aber einfach nicht zusammenfinden. »Dann versuchen wir, den Druck herauszunehmen und versichern, dass das Kind trotzdem gesund und groß wird.«
Der Druck, eine perfekte Mutter mit Milch im Überfluss sein zu müssen, wird Frauen durch die Gesellschaft propagiert. Gleichzeitig wird das Stillen in vielen Bereichen noch tabuisiert. Einige Politiker fordern daher neue Gesetze, die auch ein Recht auf Stillen in der Öffentlichkeit beinhalten.
Auch in Gießen ernten Mütter beim Stillen in der Öffentlichkeit mitunter schräge Blicke, sagt Hebamme Conrath. Das werde ihr in der Nachsorge häufig berichtet. »Gerade gestern bin ich daher gefragt worden, welche Cafés in Gießen gute Stillmöglichkeiten haben.« Einige Frauen nutzen daher sogar Apps, die ihnen nicht nur Wickel-, sondern auch Stillmöglichkeiten im öffentlichen Raum anzeigen.
Meinhold-Heerlein betont in diesem Zusammenhang, dass Frauen mit dem Thema unterschiedlich umgingen. Manche würden sich daran nicht stören, andere sehr wohl. »Es wäre daher schön, wenn es in der Öffentlichkeit mehr Rückzugsorte geben würde. Eigentlich wäre das in jedem Café denkbar.«
Auch wenn das eigentlich nicht nötig sein sollte. »Schließlich«, und das betont sowohl der Klinikdirektor als auch die Hebamme, »ist Stillen doch das Natürlichste der Welt.«