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Mehr als ein Platz zum Einkaufen

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Von: Klaus-Dieter Jung

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Nuray Aslanoglu hinter der Theke des Ladens, in dem sie jetzt Chefin ist. © Klaus-Dieter Jung

Gießen-Lützellinden (rc). »Wie schön, dass es den Dorfladen gibt«, freut sich neunjährige Julia, als sie an der Kasse ihre Süßigkeiten zum Bezahlen ablegt. Das Mädchen ist mit ihrer Oma unterwegs, die ein paar Kleinigkeiten für das Mittagessen eingekauft hat - ohne Parkplatzsorgen, ohne Wartezeiten und mit freundlichem Personal.

1995 übernahm Marco Langsdorf von der Familie Müller die Bäckerei mit angeschlossenem Lebensmittelgeschäft »voller Stolz«, wie er rückblickend feststellt. Seitdem hat sich viel verändert. Der Laden zog von der Kaiserstraße in die Lindenstraße und aus dem »Bankladen« - denn dort war früher eine Volksbankfiliale - wurde ein »Backladen«, wo es neben Backwaren auch Lebensmittel und Zeitschriften zu kaufen gab.

Ausgebildet als Fachverkäuferin

Es sei immer schwieriger geworden, den Laden zu halten, schrieb Marco Anfang Dezember seinen Kunden. »Auch bei uns fehlen ein paar Euro in der Kasse«, offenbarte er in schwierigen Zeiten. Schon Monate vorher ging das Gerücht im jüngsten Stadtteil von einer Schließung des Ladens um. Das rief Nuray Aslanoglu auf den Plan, sie arbeitete als ausgebildete Bäckereifachverkäuferin schon dreieinhalb Jahre bei Marco Langsdorf. »Es wäre schade, wenn ein so schönes Geschäft schließen würde,«, dachte sich die junge Frau, Mutter von drei Kindern. Aslanoglu und Langsdorf redeten zusammen, wurden sich einig und aus der Angestellten wurde eine Selbstständige.

Seit 9. Januar steht Nuray Aslanoglu weiter hinter der Theke, verkauft frisches Brot, viele Sorten Brötchen und berät die Kunden. Jetzt aber als Chefin einer Teilzeitkraft und von zwei Aushilfen. »Es ist mutig, in der heutigen Zeit ein solches Geschäft zu übernehmen«, schrieb Marco Langsdorf in seinem Brief an die Kunden und warb darum, seine Nachfolgerin zu unterstützen. Die ist froh, neue Eigentümerin des Ladens zu sein, »Er liegt mir sehr am Herzen«, sagt die junge Frau, die in Niedergirmes zur Welt kam und aufgewachsen ist. Seit elf Jahren wohnt sie mit Mann und Kindern in Kleinlinden.

Ein wenig gestaltete Nuray Aslanoglu das Geschäft seit der Übernahme um. Neben den Backwaren verkauft sie Getränke, Zeitschriften, Tabakwaren und betreibt dazu einen Paketversand. Die Backwaren liefert ihr früherer Chef Marco Langsdorf aus dem Brotatelier in der Mäusburg in Gießen. Der geht ihr im Moment auch noch zur Hand, berät sie, etwa in organisatorischen Abläufen. Die Wurstwaren kommen vom Landgasthof Zum Löwen in Leihgestern. Neu im Angebot sind Präsentkörbe, die sie nach den Wünschen der Kunden zusammenstellt.

Wie sieht die neue Ladenbetreiberin ihre Rolle als Chefin? »Wir sind ein Team und das ist wichtig«, macht sie deutlich. Man könne etwas gut verkaufen, wenn man auch davon überzeugt ist, sagt sie und notiert den Wunsch eines Kunden nach Röstzwiebeln. Die sind im Moment nicht im Regal, werden aber bestellt. »Dieser Laden ist für das Gemeinwohl wichtig«, sagt Edwin Engel, der zu den Stammgästen im kleinen Kaffee zählt.

Sitzplätze im Laden geplant

Nuray Aslanoglu will das Büro umgestalten und ein paar Sitzplätze im Innern des Ladens schaffen. Für Senioren beispielsweise, die sich dort zum Kaffee treffen. Denn in Lützellinden gibt es keine Gaststätte und keine Geschäfte als Treffpunkt mehr. Und: Schnell mal in den Dorfladen laufen oder mit dem Fahrrad hinfahren, das ist auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz.

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