Lützellindener Mundart erforscht

Gießen-Lützellinden (rc). »Mier hu of« lasen Vorbeigehende am Eingang zum Heimatmuseum Lützellinden und viele wussten nicht, was das bedeutet. Wer den Lützellindener Dialekt kennt, kann es gleich übersetzen: »Wir haben offen«. Der Hinweis hing mit dem Thema einer liebevoll und umfangreich zusammengetragenen Ausstellung von Museumsbetreuer Edwin Engel zusammen und behandelte die Mundart.
»Wenker-Bogen« - Lützellindener Mundart als Teil einer Dialekt-Forschung im 19. Jahrhundert« war der Titel der ungewöhnlichen Präsentation.
Der Marburger Bibliothekar Georg Wenker entwarf 1876 einen Fragebogen, die sogenannten »Wenkersätze« und begann damit eine einmalige flächendeckende Erhebung der deutschen Dialekte. Der daraus hervorgegangene Deutsche Sprachatlas bildet einen Schwerpunkt der Regionalsprachenforschung in Deutschland.
Wenkers Vorgehensweise für die Erhebung bestand darin, Fragebogen mit 38, 40 und 42 vorformulierten hochsprachlichen Sätzen an Schulen jeden Ortes im Deutschen Reich zu versenden. Die Aufgabe der adressierten Informanten, das waren Schulen und Lehrer, bestand darin, diese in ihre jeweiligen Ortsdialekte zu übertragen. Die Sätze waren so zusammengestellt, dass die typischen lautlichen Eigenschaften der betreffenden Dialekte in der Übersetzung hervortreten mussten. Wenn die Lehrer mit dem jeweiligen Ortsdialekt nicht vertraut waren, sollten sie die Schülerinnen und Schüler einbinden.
Zuweilen unaussprechlich
Das gesamte Material ist im Forschungs-Institut Deutscher Sprachatlas an der Universität Marburg archiviert. Dort liegen über 50 000 handschriftlich ausgefüllte Bogen. Der Großteil dieser Schriftstücke ist in Kurrentschrift verfasst, dies ist eine Vorgängerschrift der Sütterlinschrift, die die meisten Menschen nicht mehr lesen können. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es für die Dialekte keine Schriftsprache gab und nicht gibt.
In der Ausstellung wurden die Wenkerbogen von Lützellinden und Umgebung gezeigt und zum Vergleich die Bogen aus dem Eifeldörfchen Kordel und dem bekannten Hinterzarten im Schwarzwald. Die Besucher mussten dabei schon genau hinschauen und staunten über Begriffe aus der Zeit ihrer Vorfahren, die heute zum Teil unbekannt und auch manchmal unaussprechlich sind.