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Gießen: Lob und Kritik für Fahrradzone in der Neuen Bäue - In wenigen Tagen geht‘s los

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Von: Christoph Hoffmann

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Das Projekt Fahrradstraße spaltet Gießen. Die Idee hierfür ist bereits seit 2020 bekannt. Eine Infoveranstaltung zeigt Kritik und Zuspruch.

Gießen – Knapp 60 Personen haben am Mittwoch (12. Oktober) im Rathaus von Gießen die Info-Veranstaltung zur geplanten Fahrradzone in der Neuen Bäue besucht. Das Meinungsbild war gemischt: Die einen begrüßen die Maßnahme und erhoffen sich weniger Parksuchverkehr, andere fürchten negative Folgen für die Geschäftswelt und die Anwohnerschaft.

Die ersten Hinweisschilder stehen bereits, am kommenden Montag soll die Durchfahrtsschranke zum Brandplatz gesetzt werden: In wenigen Tagen wird die Neuen Bäue eine Fahrradzone sein. Über Hintergründe, Umsetzung und Ziele haben Bürgermeister Alexander Wright sowie Holger Hedrich, der Leiter der städtischen Straßenverkehrsbehörde, am Mittwochabend bei einer Veranstaltung im Rathaus informiert. Rund 60 Personen waren der Einladung gefolgt. Nicht alle waren mit der Maßnahme zufrieden.

Gießen: Die Idee der Fahrradstraße stammt aus dem Jahr 2020

Zu Beginn schilderte Wright die Entstehungsgeschichte und betonte, dass die Idee einer Fahrradstraße in der Neuen Bäue bereits 2020 von seinem Vorgänger Peter Neidel angekündigt worden war. In die heutige Variante seien hingegen Änderungen eingeflossen, die durch Anregungen bzw. Vorgaben von Polizei und Mit.Bus entstanden seien.

Schon in der kommenden Woche sollen die Maßnahmen zur Umwandlung der Neuen Bäue in eine Fahrradstraße umgesetzt werden.
Gießen: Schon in der kommenden Woche sollen die Maßnahmen zur Umwandlung der Neuen Bäue in eine Fahrradstraße umgesetzt werden. © Jens Riedel

Im Anschluss präsentierte Wright eine ganze Reihe Fotos, um die Problematik in der Neuen Bäue zu veranschaulichen. Sie zeigten wendende Autos, ausweichende Radfahrer und Busse, die an in der zweiten Reihe parkenden Autos nicht vorbeikommen. »Wenn ich mit meinem Sohn Rad fahre, meide ich diese Straße. Mein Gefühl sagt mir, dass es dort nicht sicher ist«, betonte der Bürgermeister.

Kontrollen in Gießen: Ordnungsamt regelmäßig unterwegs

Nachdem Hedrich über Details der Umsetzung berichtete, entbrannte eine lebhafte Diskussion über das Für und Wider der Maßnahme. Mehrfach äußerten Anwohner die Sorge, noch weniger Parkmöglichkeiten als zuvor vorzufinden, die Zufahrtsperre zum Brandplatz würde zudem zu großen Umwegen führen, was eine zusätzliche Umweltverschmutzung bedeute. Ein Anwohner des Marktplatzes betonte mehrfach, dass das Ordnungsamt in diesem Areal viel zu selten kontrolliere und Bewohnerparkplätze oft von Ortsfremden zugeparkt seien.

Das wollte Wright so nicht stehen lassen. „Das Ordnungsamt kontrolliert hier sehr wohl regelmäßig.“ Zudem vertrat der Bürgermeister die Meinung, dass sich die Parksituation gerade für Anwohner verbessern werde. „Es fallen 20 Kurzzeitparkplätze weg, die großenteils in Anwohnerparkplätze umgewandelt werden.“

Eine Geschäftsfrau aus der Plockstraße war ebenfalls zur Versammlung gekommen. Sie störte gerade der Wegfall der Kurzzeitparkplätze immens. Schon jetzt – Stichwort Corona und Energiekrise – hätten es die Einzelhändler schwer. „Wenn das so weitergeht, ist die Innenstadt bald tot.“ Ihrer Meinung nach würden die Autofahrer aus der Stadt geekelt.

Gießen: Parkhäuser sollen Wegfall auffangen

„Es gibt genug Parkplätze in der Nähe“, konterte Wright und nannte als Beispiel die Parkhäuser an Kino und Rathaus mit über 600 Plätzen. Die 20 Plätze in der Neuen Bäue würden daher nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Abgesehen davon würde die Maßnahme für mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt sorgen, wovon auch der Einzelhandel profitiere.

Die Sperrung des Brandplatzes von der Sonnenstraße aus hat zur Folge, dass die dortigen Parkplätze künftig über Braugasse bzw. Landgrafenstraße angefahren werden müssen. Ein an dieser Ecke lebender Gießener sorgte sich vor der Zunahme des Verkehrs. Schon jetzt würden dort regelmäßig Spiegel abgefahren, für Fahrradfahrer und Kinder sei die zu erwartende Verkehrszunahme gefährlich. Wright erwiderte zwar, dass die Straßen für den Verkehr ausgelegt seien, beschönigen wollte er die Situation aber nicht. „Es wird an dieser Stelle mehr Verkehr geben. So ehrlich muss man sein.“

Zwischen Kritik und Erwartungshaltung: Gießen ist in dieser Frage gespalten

Neben dieser und weiterer Kritik meldeten sich aber auch Gießener zu Wort, die die Maßnahme sehnlichst erwarten. Ein Anwohner des Brandplatzes freute sich über die Abnahme des Verkehrs, ein Student über die Steigerung der Lebensqualität. Nur durch solche Maßnahmen könnte das Klimaziel der Stadt erreicht werden, sagte der junge Mann.

Auch Verkehrswendeaktivist Jörg Bergstedt war zur Versammlung gekommen. Er mahnte, Radfahrer nicht gegen Fußgänger auszuspielen. Zuvor hatten sich Teilnehmer der Veranstaltung über rabiate Radler beschwert. Für gehbehinderte Menschen, deren Nöte ebenfalls Thema der Veranstaltung waren, wäre doch eine Regio-Tram ein ganz wunderbares Fortbewegungsmittel. Bis die kommt, werden allerdings noch viele Radfahrer die Neuen Bäue entlang geradelt sein. (Christoph Hoffmann)

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