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»Linneser« Archiv geht online

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Dr. Gerd Steinmüller, Vorsitzender des Orts- und Vereinsarchivs, und Bodo Lenz, Vorsitzender des Fördervereins der FFW Klein-Linden, betrachten die Schautafeln der Sonderausstellung zur Historie der Klein-Lindener FFW. © Rüdiger Schäfer

Gießen (ige). Alt, verstaubt, langweilig, öde. Fällt der Name Archiv, wird er mit diesen Adjektiven gemeinhin bedacht. Denn in ihm fristen Archivale (Archivgut) jahrzehntelang, gar über Jahrhunderte ihr Dasein in der Dunkelheit. Und zwar in einem Ordner, einer Lade, einem Regalfach -zumeist in einem Gebäudekellers. Aufgehoben für die Ewigkeit. So scheint es.

In Gießens Stadtteil Klein-Linden ist das nicht viel anders. »Alles, was das Stadtarchiv an Dokumenten nicht braucht und Linnes betrifft, landet hier bei uns«, erzählt Dr. Gerd Steinmüller. »Linnes« wird Klein-Linden im Volksmund genannt. Verstaut ist das »alte Zeug« in Schränken, die im Kellergeschoss des Bürgerhauses stehen. »Wir haben leider kein Heimatmuseum wie Wieseck, um Dokumente und Fotos, Bücher, Festschriften, Landkarten und Audiomaterial in Dauerausstellungen der Öffentlichkeit zeigen zu können.« So wird seit fünfzehn Jahren alles einmal im Jahr aus der Dunkelheit hervorgeholt, um es bei Tageslicht am Tag der offenen Tür Interessierten zu präsentieren.

Früher, sagt Steinmüller, sei diese Ausstellung in der Volksbank-Filiale in der Wetzlarer Straße mehrere Wochen lang präsentiert worden. Nach deren Abriss war das nicht mehr möglich. Danach gab es für die Interessenten nur die Gelegenheit, sich einmal im Jahr vier Stunden lang im Bürgerhaus in die Archivalien zu vertiefen. So am vergangenen Sonntag, als nach zweijähriger Pandemie-Pause zu einem besonderen Tag der offenen Tür eingeladen war.

Die Arbeitsgruppe Orts- und Vereinsarchiv Klein-Linden besteht aus einem Kreis von Personen, die sich für alles interessieren, was mit Klein-Linden, seinen Bürgern, Vereinen sowie seiner baulichen, sozialen und kulturellen Entwicklung zu tun hat. Bücher, Festschriften, Zeitungsberichte, Landkarten, Fotografien, Tonträger und andere historische Dokumente hat die AG viele Jahre lang zusammengetragen und so ein umfangreiches, aus drei- bis viertausend Dokumenten bestehendes »Linneser Archiv« geschaffen.

Mit der Freiwilligen Feuerwehr (FFW) Klein-Linden 1895 tat man sich zusammen und hat »gemeinsam die Türen geöffnet.« Da die Linneser Feuerwehr eine Jugendabteilung besitzt, ist an diesem Nachmittag unter den 300 Besuchern auch viel jüngeres Publikum auszumachen.

Archiv bald digital für alle

Für die jungen Leute ist ein Archiv eher nicht so spannend. Doch wer von ihnen wissen möchte, wer seine Ur- oder gar Ururgroßeltern waren, wie sie aussahen und in welchem Umfeld sie lebten, für die soll es Ende des Jahres eine Möglichkeit geben, dies online recherchieren zu können. Daran arbeiten neben Steinmüller noch Stefan Prang und Hans-Jürgen Volk - fast Tag und Nacht. Topothek nennt sich das Vorhaben und existiert im Kreis bisher nur in Buseck.

Dieser Zeitung vorgestellt wird es anhand eines Konfirmationsbildes aus dem Jahr 1904, also mit einer 118 Jahre alten Fotografie. Klickt man auf einen der Köpfe der Konfirmanden, werden dessen Name und weitere Verlinkungen eingeblendet. Man sieht dann sein Wohnhaus, die Familie, weitere Fotos mit ihm. So auch, ob »im Ersten Weltkrieg gefallen«. Es erscheint wie Zauberei: Denn vergrößert man das Kopfbild auf Bildschirmgröße, tut sich entgegen der Erwartung kein verschwommenes Bild auf, sondern ein pixelscharfes. Wie geht das? Eine besondere Software aus Österreich sorgt dafür.

Seit drei Monaten arbeitet das ehrenamtliche Trio daran, Analoges in Digitales zu verwandeln und zu verschlagworten, also Querverbindungen zu kreieren. 500 Dokumente haben sie bisher geschafft. »Bei 1000 gehen wir online«, verspricht Steinmüller. Das soll noch in diesem Jahr geschehen.

Sonderausstellung zur Feuerwehr

Während DIN-A4-Ordner mit Dokumenten und Fotografien durchblättert werden, sind an Schautafeln viele Fotos zu sehen: Teil einer Sonderausstellung »125 (+2) Jahre Freiwillige Feuerwehr in Linnes«. Diese vermittelt einen Eindruck der umfangreichen Arbeit der Feuerwehr im Dienste der Bürger - mit Fotos ab 1925. Eigentlich für das Jahr 2020 geplant, musste das 125-jährige Jubiläum pandemiebedingt verschoben werden.

Geboten wird an dem Nachmittag ein umfassender Einblick in die vielfältigen Aktivitäten und umfangreichen Materialien für den Brandschutz. Besondere Schwerpunkte liegen auf der Ausstellung von unterschiedlichen Feuerwehrfahrzeugen, der Präsentation von Atemschutzgeräten und Bestandteilen der persönlichen Schutzausrüstung sowie der Demonstration der Funktionsweise einer Wärmebildkamera.

Der stellvertretende Wehrführer Patrick Aust erläutert die Geschichte der Alarmierung über die Jahrzehnte hinweg. Am Anfang hatte allein die Dorfsirene gestanden. Erst ab den 70er-Jahren wurde diese durch einen mobilen Funkmeldeempfänger - von Größe und Aussehen her wie ein Backstein - abgelöst. Im Laufe der Dekaden wurde er immer kleiner und handlicher, zuletzt am Gürtel tragbar. 2018 die analoge Funkwellentechnik abgelöst durch die digitale. Fortan nicht mehr ein ausschließliches Empfangsgerät mit Alarmierungstext, sondern auch zum Senden von Rückmeldungen.

Löscheimer waren die Anfänge des Feuerbekämpfens. Eimerketten wurden im Brandfall gebildet, die Wassereimer von Hand zu Hand gereicht - vom Befüllen bis zum Auskippen über die Flammen. Erstaunlich, dass ein solcher aus dem Jahr 1900, aus Leder und Leinen bestehend, lediglich drei bis vier Liter Wasser fasste.

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