Obdachlose und Frost: Hotel in Gießen stellt Zimmer bereit

Der Wintereinbruch hat wohl kaum jemanden so hart getroffen wie Obdachlose. Für sie kommt in Gießen jetzt Hilfe aus der ebenfalls arg gebeutelten Hotellerie.
Gießen – In der »Brücke« herrscht Hochbetrieb. Längst nicht rappelvoll, aber total ausgelastet ist die Tagesstätte der Diakonie für Obdachlose in Gießen am Freitagvormittag. Denn wegen der Corona-Hygieneregeln dürfen höchstens zehn Personen gleichzeitig hinein. »Seit dem jüngsten Kälteeinbruch ist es hier deutlich voller geworden«, erzählt Diakonie-Bereichsleiter Andreas Schmidt. Einen Notstand habe man zwar abgewendet, vor allem, weil die Evangelische Stadtmission der »Brücke« ihre Jugendräume in der Löberstraße überlassen hat. Gleichwohl bleibe die Lage prekär. »Wir fahren auf Sicht«, sagt Schmidt.
Von Samstag an haben die Obdachlosen in der Stadt nun eine ganz neue Anlaufstelle: Das Liebig-Hotel stellt mehr als 30 Zimmer mit Dusche gratis zur Verfügung. Damit wolle man denjenigen, die vom Corona-Winter am stärksten betroffen seien, unmittelbar und unkompliziert helfen, betont der Inhaber, Murat Kaya, in einer Pressemitteilung. Das Ordnungsamt habe soeben bestätigt, dass das Angebot auch unter Pandemie-Bedingungen zulässig sei. Um Bedürftige möglichst schnell zu erreichen, kooperiere das Hotel mit der »Brücke« sowie mit anderen Trägern der Obdachlosenhilfe. Auch abgepacktes Essen will Kaya bereitstellen.
Gießen: Bis zu 90 Obdachlose suchen Hilfe in der Löberstraße
Angesichts dieser Nachricht rückt die folgende etwas in den Hintergrund: Die Aktion »Wärme spenden« hat am Freitag den 1000. Schlafsack an die »Brücke« übergeben. Seit drei Jahren verteilt die landesweite Initiative Schlafsäcke und Isomatten an Menschen, die auf der Straße leben. 60 000 Euro Spendengelder in diesem Winter - von der Stiftung »Miteinander in Hessen« verdoppelt - bedeuten einen Rekord. Viel mehr muss Stiftungs-Vorstand Prof. Heinz Zielinski bei der Übergabe im Hof der Tageseinrichtung gar nicht sagen. Die Eiseskälte macht ja hautnah spürbar, worum es geht.
Während der strenge Frost für alle Obdachlosen eine Gefahr darstellt, sieht die Situation in den Hilfseinrichtungen unterschiedlich aus. Das Team der »Brücke« hatte bereits im Herbst Alarm geschlagen, weil es befürchtete, wegen Platzmangels bald nicht mehr jedem Bedürftigen einen Platz bieten zu können. Aktuell kommen laut Schmidt täglich bis zu 90 Menschen in die Löberstraße. Einlass erhielten sie mitunter »gestaffelt«.
Gießen: Etwa 20 Menschen übernachten draußen
»Wir sind überhaupt nicht ausgelastet«, berichtet hingegen Christian Garden, Leiter des AWO-Wohnheims im Falkweg. 20 von 28 Übernachtungsplätzen seien belegt - und bei höherem Bedarf zusätzliche Optionen vorhanden. So habe die Arbeiterwohlfahrt eine Wohnung mit maximal zehn Betten angemietet. Außerdem gibt es zwei Quarantäne-Zimmer. »Viele Wohnungslose haben sich aber frühzeitig selbst Übernachtungsplätze gesucht«, glaubt Garden. Schließlich sei die Kälte »mit Ankündigung gekommen«.
Nicht unerwartet ist auch, dass das Hilfsangebot für wohnungslose Frauen knapp ist. Die »Oase« in der Dammstraße könne unter Corona-Bedingungen nur einen statt der sonst zwei Plätze in der Notübernachtung anbieten, erklärt Leiterin Christiane Salzmann. Zugleich erlebe sie, »dass momentan mehr Leute bei uns Schutz suchen«. Umso wichtiger findet Salzmann die enge Kooperation mit den städtischen Behörden. Und auch das Liebig-Hotel hat sich unlängst telefonisch bei der »Oase« gemeldet.
Wie viele Menschen in Gießen derzeit draußen übernachten, ist unklar. Etwa 20 dürften es sein. Parallel zu ihrer Not steigt die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Sie sei »überwältigend«, sagt Schmidt. Von den Neuigkeiten der nächsten Stunden weiß er da noch nichts. Aus dem Liebig-Hotel heißt es nachmittags: Erste Zimmer sind reserviert.