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Letzte Metzgerei der Steinstraße schließt

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Weder vor noch hinter der Theke werden Karl-Otto und Uwe Burk künftig zu sehen sein.
Weder vor noch hinter der Theke werden Karl-Otto und Uwe Burk künftig zu sehen sein. © Oliver Schepp

In der Verkaufstheke liegen Wurst, geräucherter Schinken und saftige Fleischstücke. Im Wärmer dahinter warten Schnitzel und Leberkäse – und den Kunden der Metzgerei Burk lacht das Herz. Noch. An Silvester werden die Burks ihren Laden im Eckhaus Steinstraße/Asterweg für immer abschließen – es lohnt sich einfach nicht mehr.

Gießen (ta). Das Aus kommt 69 Jahre nach der Gründung des Familienbetriebs. »Ein schwerer Schritt für uns, aber auch wir kapitulieren vor der Übermacht der Billigdiscounter und Supermärkt e«, heißt es in dem Aushang, mit dem Uwe und Karl-Otto Burk seit Tagen die verbliebene Kundschaft über die näher rückende Schließung informieren. Darauf bedanken sie sich auch für die Treue, die ihnen über Jahrzehnte entgegengebracht wurde. Schließen werden die Burks auch die erst 2013 eröffnete Wochenmarkt-»Schlemmerlaube« in der Marktlaubenstraße.

55 Metzgereien machten 2015 zu

Allein stehen die beiden mit diesem Schritt nicht: In Hessen sind in diesem Jahr 55 Metzgereien vom Markt verschwunden. In Gießen gibt es damit demnächst nur noch zwei inhabergeführte Fleischereien, Zach-Zach am Landgraf-Philipp-Platz und Engel in Wieseck.

Das veränderte Verbraucherverhalten ist der Hauptgrund für den Niedergang der Branche. In vielen Familien wird kaum noch gekocht, da haben Fertiggerichte und Pizzalieferanten den Vorrang. Zudem sind Fleisch- und Wurstwaren aus Großproduktion im Supermarkt nun einmal preisgünstiger. Ungünstig für das Metzgerhandwerk ist zudem, dass der Gießener Schlachthof aufgegeben wurde und dass es im ganzen Kreis keinen Schweinezüchter mehr gibt.

Ordnungsamt verschreckt Kunden

Was die Metzgerei Burk angeht, ist im Laufe der Zeit aber nicht nur die Stammkundschaft aus dem Quartier immer mehr geschrumpft. Auch die Zahl der Kunden, die sich im Vorbeifahren vor allem mit Hackfleisch-, Leberkäse- oder Schnitzelbrötchen eindecken, ist seit langem rückläufig. Zunächst dadurch, dass der Durchgangsverkehr aus dem Asterweg verbannt wurde, und – in den vergangenen Jahren – durch die zunehmende Präsenz der Ordnungspolizei, die verbotswidriges Halten vor dem Laden ahndet. Und was sagt die Kundschaft? »Ich bin traurig, denn ich kaufe meine Wurst und mein Fleisch nur beim Metzger«, bedauert Christine Mühlich die bevorstehende Geschäftsaufgabe.

Sie hat es vor allem genossen, nebenbei immer einmal eine Anekdote von Seniorchef Karl-Otto Burk aufzuschnappen. Die Sandfeld-Anwohnerin will sich nun ebenso einen neuen Metzger suchen wie der 57-Jährige, der schräg gegenüber wohnt und seit über 30 Jahren Kunde bei den Burks ist. Oder die Studentin aus der Nachbarstraße, die sich gelegentlich Knochen für ihren Hund abgeholt hat.

Kunden wollen »Schwätzchen«

Sozusagen zum Kunden-Inventar gehört auch Karin Fetzer, die seit Jahrzehnten am Ende der Steinstraße wohnt. »Ich kaufe nicht gern im Supermarkt, dann da kann man nicht auch mal ein Schwätzchen halten«, sagt die Seniorin, die wohl auf die Metzgerei Zach ausweichen wird. Gleichfalls hochzufriedene Stammkundin war die kürzlich verstorbene Anna Mettbach, die als ehemals verfolgte Sintezza in Gießen bekannt geworden war. »Ich gehe zum Burk«, so hatte sie ihrem Freund den Einkauf beim so vertrauten Metzger angekündigt.

Vor der Schließung sind die Personalia geregelt. Der Seniorchef, der noch stellvertretender Obermeister der Fleischerinnung ist, hat die 80 überschritten und sich den Ruhestand verdient. Junior Uwe Burk beginnt Anfang Januar als selbstständiger Fleischerei-Filialleiter in einem Supermarkt in Nauborn. Eine der beiden Fachverkäuferinnen wechselt ebenfalls dorthin, die zweite wird wohl in Gießen unterkommen.

Offen ist nur noch, was künftig aus dem Geschäft und den anderen Räumen der Metzgerei im Erdgeschoss wird. »Da haben wir noch keine Idee«, sagt Burk senior. Doch es klingt nicht so, als ob ihm das große Sorgen bereitet.

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