Lehrling mit Auszeichnung händeringend gesucht

Der 21-jährige Florian Stieler, Azubi beim Gießener Metallbauer Kai Zimmermann, ist jetzt als Lehrling des Monats April ausgezeichnet worden. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.
Manchmal lohnt es sich, sich einfach mal auf etwas Neues einzulassen. Nach seinem Fachabitur am Gießener Landgraf-Ludwigs-Gymnasium wusste Florian Stieler nicht so recht, wohin ihn der Weg ins Berufsleben führen könnte. Geht ja vielen so. Also erstmal ein bisschen herumprobieren. Durch einen Tipp machte er ein Praktikum beim Gießener Metallbaumeister Kai Zimmermann - und begann dort anschließend eine Ausbildung. Nach eineinhalb Jahren wurde er Mitarbeiter des Monats. Und nun ist er von der Handwerkskammer Wiesbaden als Lehrling des Monats April ausgezeichnet worden. »Mit solchen jungen Leuten«, sagt sein 49 Jahre alter Chef, »hat unser Beruf eine gute Zukunft.«
Es gibt dieses Sprichwort: Handwerk hat goldenen Boden. Da ist etwas dran, aber trotzdem ist der Nachwuchs- und Fachkräftemangel ein großes Problem für die Betriebe. Zimmermann erzählt, dass auf seinem Schreibtisch aktuell keine einzige Bewerbung um eine Ausbildung liegt - obwohl er einen oder eine Azubi sucht. Im Familienbetrieb, der vor 60 Jahren gegründet wurde und in dritter Generation geführt wird, werden von sechs Mitarbeitern vor allem Geländer, Balkonanlagen und Überdachungen produziert.
Gleichzeitig steigt die Zahl der jungen Menschen mit Abitur oder Fachabitur. Und deren Weg führt noch immer selten ins Handwerk, betont der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Bernhard Mundschenk. Dies ändere sich aber - zugegebenermaßen langsam: Der Anteil, der zurzeit 8700 Lehrlinge mit Hochschulreife im Wiesbadener Kammerbezirk, zu dem auch Mittelhessen gehört, hat sich mittlerweile verdreifacht - auf 13 Prozent, wie Mundschenk sagt. Einer von ihnen ist der 21 Jahre alte Stieler.
Noch immer gebe es den »Automatismus«, sagt Mundschenk, dass es junge Menschen mit Hochschulreife gleich an die Hochschulen ziehe. »Dabei steht der Meister mit dem Bachelor auf einer Stufe«, sagt er. Gerade mit Blick auf die Herausforderungen wie Mobilitäts- oder Energiewende sei es wichtig, dass sich junge Menschen fürs Handwerk interessieren - um zukünftige Fachkräfte auszubilden. Denn die werden weiterhin händeringend benötigt.
Belastbarkeit und Freundlichkeit
Im Juni wird Stieler seine Gesellenprüfung ablegen. Danach will er bei Zimmermann weiterarbeiten. Er fühlt sich wohl, sagt er. Und das macht er nicht, weil sein Chef in der Nähe steht. Stieler betont: »Je kleiner der Betrieb ist, desto mehr kann ich lernen. Ich bin hier immer und überall mit hingegangen.« Würde er noch einmal die Wahl haben, würde er immer einen kleinen Familienbetrieb einem großen Industriebetrieb vorziehen.
Zimmermann lobt seinen Azubi für dessen gutes technisches Verständnis und den bedachten Umgang mit dem Materialien, die in seiner Handwerksfirma verarbeitet werden. Stieler zeichne eine schnelle Auffassungsgabe aus, er könne Aufgaben selbstständig umsetzten und Probleme lösen. Auch gehe er verantwortungsvoll mit Maschinen und Betriebsausstattung um Seine Kollegen und Kunden, betont Zimmermann, schätzten den jungen Mann als zuverlässigen und freundlichen Menschen. Das alles sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Zimmermann erzählt von einem Praktikanten, der nach drei Tagen die Segel gestrichen habe. Das sei ihm alles zu viel, habe er gesagt. Dabei habe er Zimmermann und den Mitarbeitern lediglich über die Schulter geschaut.
Stieler hingegen hat es bis heute nicht bereut, den Weg ins Handwerk gegangen zu sein. Er mag das Familiäre im Betrieb. Auch die Arbeit macht ihm Spaß. Besonders, wenn er auf Montage ist. Wenn er in luftiger Höhe auf einem Gerüst stehe, um ein Balkongeländer anzubringen, sei das für ihn »Nervenkitzel«. Als er das sagt, lächelt er breit.