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„Leute bereuen es, an der JLU zu studieren“: Gießener Lehramtsstudierende schlagen Alarm

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Von: Sebastian Schmidt

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Die Fachschaft Lehramt der JLU kritisiert die Studienbedingungen in Gießen, gleichzeitig werden händeringend Lehrkräfte gebraucht. SYMBOLBILD: IMAGO © Red

Lehramtstudierende kritisieren die Zustände an der Justus-Liebig-Universität. In manchen Fachbereichen bereuen es die Studierenden sogar, nach Gießen gekommen zu sein.

Gießen - Man merkt Mayra Heinz und Louisa Henke den Enthusiasmus und das Feuer für ihren Traumberuf schnell an, wenn die beiden angehenden Lehrerinnen von ihren Unterrichtserfahrungen erzählen, vom Idealismus, Wissen an junge Menschen weiterzugeben, vom Diskutieren und dem Nachdenken über die eigene Meinung. Wer Heinz und Henke zuhört, dem ist klar: Solch motivierte Lehrerinnen brauchen die Schulen. Wer ihnen dann weiter zuhört, erfährt aber auch, warum das für viele Studierende an der Justus-Liebig-Universität (JLU) immer unattraktiver wird. In sieben Forderungen hat die Fachschaft Lehramt jetzt deutlich gemacht, wo es brennt: Zum Beispiel an der Qualität der Lehre oder fehlenden Dozenten.

Viele externe Lehrbeauftragte in Gießen

»In manchen Fachbereichen wie den Politikwissenschaften ist die Stimmung unter den Lehramtsstudierenden mittlerweile superschlecht«, sagt Heinz. »Die Leute bereuen es richtig, an der JLU zu studieren.« Einer der Gründe sei, dass immer mehr Veranstaltungen, auch der grundständigen Lehre, an der Universität durch externe Lehrbeauftragte abgehalten werden. Eigentlich sei die Aufgabe dieser Personalgruppe an der Hochschule, Praxiserfahrung zu vermitteln. In Gießen würden Lehrbeauftragte jedoch benutzt, um weniger Dozenten fest einzustellen. »Die Lehrbeauftragten kosten halt weniger Geld.«

Doch manche Aufgaben können durch Lehrbeauftragte nicht übernommen werden und so werde es immer schwerer für Lehramtsstudierende, einen Betreuer für die Examensarbeit zu finden. »Das ist ein riesiges Problem«, sagt Henke. Denn die wenigen übrigen Dozenten müssen dafür umso mehr Studierende übernehmen. »Die Studierenden haben das Gefühl, dass die Betreuer nicht für sie da sind.« Aber auch die Qualität der Lehre durch viele Lehrbeauftragte wird kritisiert: »Unterschwellig merkt man auch, dass sie nicht so gut in der Wissenschaft vernetzt sind.«

JLU-Sprecherin Charlotte Brückner-Ihl sagt dazu, dass es auch die Haltung der Universität sei, die Lehre - »abgesehen von sinnvollen Zusatzangeboten« - überwiegend durch angestelltes Lehrpersonal zu erbringen. »Die JLU versucht überall dort, wo sich Lehraufträge in den Pflichtmodulen häufen, angestelltes Personal einzusetzen.«

JLU in Gießen: Reflektieren und Diskutieren sollen mehr in den Fokus rücken

Der Einsatz von Lehrbeauftragten ist aus Sicht der Fachschaft dabei nicht das einzige Problem mit der Lehre an der JLU. »Wir lernen im Studium zwar, was die Forschung zum guten Lehren sagt, aber das wird hier nicht gelebt«, erklärt Heinz. Der Fokus während des Studiums liege einzig auf den Prüfungsleistungen, das vermittelte Wissen bleibe jedoch immer oberflächlich und »öffnet einem nicht die Augen«. Für die Lehramtsstudierenden sei das belastend. Henke fordert stattdessen, dass das Reflektieren und Diskutieren mehr in den Fokus gerückt werden soll.

Für die Zukunft fürchten die Studierenden nun, dass sich das Problem weiter verschärfen wird. Denn mit der Novellierung des Hessischen Lehrkräftebildungsgesetzes werde auch ein Praxissemester eingeführt. Bei gleichbleibender Länge des Studienganges führe das entweder dazu, dass die ohnehin große Arbeitsbelastung der Lehramtsstudierenden weiter zunehmen werde, oder aber, dass die Inhalte des Studiums noch oberflächlicher als bisher werden. Henke sagt: »Uns stört dabei nicht die Idee des Praxissemesters, sondern wie es in den Studienverlauf eingepasst wird.«

Novellierung der Lehrkräfteausbildung in Hessen eine gute Idee

Die JLU verweist darauf, dass sich eine Arbeitsgruppe gebildet hat, »die sich nicht nur mit Fragen einer qualitativ hochwertigen Betreuung im Praxissemester, sondern auch mit inhaltlichen und Fragen der Umsetzung beschäftigt«, erklärt Brückner-Ihl.

Dabei sei eine Novellierung der Lehrkräfteausbildung in Hessen grundsätzlich eine gute Idee, sagt Heinz. Denn hinter vielen Kritikpunkten sehen die Studierenden systematische Probleme. »Oft hängt es auch einfach am Geld und da muss sich die Gesellschaft einmal fragen, was ihr die Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte wert ist.« (Sebastian Schmidt)

Die Studentenzeit ist für viele Menschen prägend und mit besonderen Erinnerungen verbunden. Doch dieser besondere Flair ist in Gießen in Gefahr, sagen einige Studenten.

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