1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Lebensrettung mit Spätfolgen

Erstellt:

Kommentare

Gießen: Selina Rücker spendet ihre Stammzellen und rettet damit Leben.
Selina Rücker spendet ihre Stammzellen. © Redaktion

Seit 1991 hat die DKMS Deutschland 100 000 Stammzellenspenden vermittelt. Eine davon stammt von der Gießener Studentin Selina Rücker. Sie rettete damit einem an Blutkrebs erkrankten Patienten das Leben. Nun motiviert sie andere ehrenamtlich zu einer Spende.

Er ist männlich und stammt aus den USA. Er hatte Blutkrebs. Das ist alles, was Selina Rücker über den Mann weiß, dem sie das Leben rettete.

»Mit 18 Jahren habe ich mir online ein Test-Kit bestellt und mich bei der Deutschen Knochenmarksspenderdatei (DKMS) registriert«, erzählt die Masterstudentin der Biopharmazeutischen Technologie an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen. Sie machte Angaben zu Wohnort, Alter, beantwortete Fragen zu ihrer Gesundheit und schickte Abstriche von ihrer Wangenschleimhaut an das Labor.

Dann hörte sie lange nichts mehr von der DKMS. Bis im Winter 2020 das Telefon klingelte. »Im ersten Moment konnte ich es gar nicht glauben, man rechnet ja nicht damit, jemandem helfen zu können«, berichtet Rücker.

Bereits zwei Wochen vor der Stammzellenentnahme musste sie zu einer Voruntersuchung nach Köln. »Dort wurde alles Mögliche untersucht, ein EKG und ein Ultraschall gemacht«, erzählt sie.

Es gibt zwei verschiedene Methoden der Stammzellengewinnung. Bei Rücker wurde die periphere Methode angewendet, die Stammzellen wurden also aus dem Blut gewonnen. »Ich musste mir fünf Tage vorher ein Medikament spritzen, damit die Stammzellen ins Blut übergehen«, erklärt Rücker. »Ich hatte grippeähnliche Symptome und Rückenschmerzen, konnte aber Paracetamol nehmen, dann war es erträglich.«

Am Tag der Spende selbst war Rücker sehr aufgeregt: »Ich hatte vorher auch schon Blut gespendet und wusste deshalb ungefähr, was auf mich zukommt.« Trotzdem sei eine Stammzellenspende natürlich noch einmal anders. Man bekomme in beide Arme einen Zugang gelegt. »Auf der einen Seite wird das Blut in eine Maschine geleitet, die die Stammzellen vom restlichen Blut trennt, auf der anderen wird letzteres wieder in den zweiten Arm eingeleitet.« Bei ihr hat das drei Stunden gedauert. »Das war relativ schnell, es können bis zu fünf werden und es kann auch passieren, dass man am nächsten Tag noch einmal kommen muss«, sagt Rücker. Die drei Stunden seien aber sehr schnell vergangen, da sie auch viel mit den Mitarbeitern vor Ort geredet habe. »Ich konnte in dem Moment gar nicht begreifen, dass ich mit Herumliegen einem Menschen das Leben retten kann.«

Ein anonymisierter Brief kommt an

Es vergeht ein Jahr, dann erhält Rücker anonymisierte Post: Dem Mann, dem sie ihre Stammzellen spendete, geht es gut. Als Rücker daraufhin einen Aufruf der DKMS auf Instagram sieht, die Volontäre sucht, steht fest: Sie möchte sich weiter engagieren. Bereits zu dem Zeitpunkt ist ihr aufgefallen, dass viele in ihrem Bekannten- und Freundeskreis noch nicht registriert sind. Und dass sie allein durch das Teilen ihrer Erfahrungen viel erreichen kann: »Wenn ich davon erzähle, wie einfach meine Spende war, muss ich gar nicht viel Überzeugungsarbeit leisten«, berichtet sie.

Auf ihre Bewerbung folgt ein eintägiger Vorbereitungsworkshop in Köln, bei dem sie auf circa 40 andere junge Ehrenamtliche trifft. »Unter ihnen gibt es einige, die auch Stammzellen gespendet haben oder in deren Verwandtschaft gespendet wurde«, erzählt sie. Aber auch andere, die einfach so von der Sache überzeugt sind, engagieren sich.

Hauptaufgabe der Ehrenamtlichen sind Aktionen in Schulen, die 45 Minuten dauern. »Dabei kann man auch immer von der eigenen Spende berichten«, erzählt Rücker. Danach haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich selbst zu registrieren. Auch das wird von den Ehrenamtlichen betreut.

Auch bei Sportveranstaltungen oder auf Messen können Aktionen der DKMS von Rücker und anderen Freiwilligen betreut werden. »Ich war bei der Didacta in Köln und fünf Tage auf dem Heavy-Metal-Festival Wacken«, zählt Rücker Beispiele auf. Von der Familie oder den Freunden des Patienten organisierte Aktionen betreuen die Ehrenamtlichen ebenfalls.

Schule, Didacta und Metal-Festival

»Es ist wichtig, Zeit zu haben, die Workshops sind ja meist morgens unter der Woche«, sagt Rücker. Aus dem Grund seien viele Ehrenamtliche Studierende. »Im Vorbereitungsworkshop waren aber auch Leute Mitte, Ende 30 dabei, es kann jeder mitmachen, der Lust hat«, betont sie. »Jeder kann selbst entscheiden, wie viel Zeit er einbringen möchte.« Zwar sei eine Aktion pro Monat vorgesehen, »wenn es aber zum Beispiel wegen der Uni nicht geht, ist es auch nicht schlimm, einen Monat lang nichts mitzumachen.« Apropos Uni: Rücker ist der Überzeugung, dass Ehrenamt auch für ihr Studium nützlich ist: »Man lernt, vor teilweise mehr als 100 Schülern Vorträge zu halten. Auch später im Beruf kann das hilfreich sein.«

Im Februar endet die zweijährige Frist, in der sich Rücker und der Empfänger ihrer Stammzellen nur anonymisiert schreiben dürfen. Wenn beide einverstanden sind, können sie sich dann kennenlernen. Rücker jedenfalls würde gerne mehr über den Mann wissen, der jetzt ihr Blutsbruder ist.

Selina_Volunteer_110123_4c_1
Die Studentin beim ehrenamtlichen Einsatz. © Red

Auch interessant

Kommentare