Lebenslust am Ententeich

Ein ernstes Thema kindgerecht - und vor allem mit Humor und einer gewissen Leichtigkeit - aufbereitet: Das ist die neue Kindertheaterproduktion »Ente, Tod und Tulpe« im Kleinen Haus des Stadttheaters. Am Sonntag war Premiere.
Es sei »erstaunlich, was ihr Enten euch so erzählt«, wundert sich der Tod, als er die Ente am Tümpel trifft. Die Geschichten von der Wolke, auf der man nach dem Tod angeblich im Himmel hockt, oder von der Hölle, wo man büßen müsse, wenn man zu Lebzeiten nicht lieb war, kennen offensichtlich nicht nur wir Menschen, sondern auch die Enten. Zumindest die, die im Bilderbuch »Ente, Tod und Tulpe« von Wolf Erlbruch - und auch im von Leopold Dick ersonnenen Musiktheater gleichen Titels - vorkommen. Hier wie dort lernen Kinder auf behutsame Weise, dass Sterben einfach zu einem erfüllten Leben dazu gehört. Der Tod, von dem Kinder in diesen Kriegs- und Corona-Zeiten mehr als sonst hören und nach dem sie ohnehin im Laufe ihrer Entwicklung fragen, verliert so seinen Schrecken.
Leopold Dick hat für sein Musiktheaterstück, gedacht für Kinder ab etwa fünf Jahren, die Geschichte von der Ente, die nach einem glücklichen Leben sanft einschläft, mit ungewöhnlichen Klängen musikalisch in Szene gesetzt. Unter der Leitung von Wolfgang Wels an Klavier und Harmonium entlocken vier weitere Musiker ihren Instrumenten nicht nur bekannte Melodien aus »Schwanensee« oder das Kinderlied »Fuchs Du hast die Gans gestohlen«, sondern auch lautmalerische Aufhorcher. Da flüstert die Querflötistin in das Mundstück, reiben die Finger des Cellisten sanft die Saiten, quaken Holzfrösche im Schlagwerk, imitiert die Pauke den Herzschlag oder brummt die Posaune.
Zwei Enten zum Liebhaben
In Amelie von Godins Inszenierung vermischen sich Schauspiel, Musik und Tanz auf eine Weise, die Kindergartenkinder über die gesamte Vorführungszeit von einer knappen Dreiviertelstunde fasziniert. Eine quietschbunte Bühne und fantasievolle Kostüme, ausgedacht von Kristin Buddenberg, tragen das Ihre dazu bei - mit Bällebad als Ententeich, buntem Schilf und einem zum Klettern einladenden Baumgestell.
Doch was wäre all das ohne die zwei putzigen Enten, in die sich Gustavo de Oliveira Leite und Floriado Komino aus dem Tanzensemble verwandeln? Sie müssen am hiesigen Schwanenteich die Bewegungsmuster der Enten studiert haben! In ihren hellblauen Neoprenanzügen samt Federkleid rucken sie mit ihren Köpfen, strecken wie Erpel es eben tun ihre Popos heraus, tauchen in den schwarzen Plastikbällen unter und sind einfach nur zum Liebhaben. Auch der Tod, von Trang Dong als sympathisches Kerlchen in Matschhose und mit Tulpe in der Hand gespielt, kann sich dem Charme der Ente, für die eigentlich die Zeit des Abschieds gekommen sein soll, nicht entziehen. Er mag es schließlich gar nicht, dass alle vor ihm Angst haben, und gewährt seinem neuen gefiederten Begleiter gerne noch ein bisschen mehr Lebenszeit. Durch die Luft fliegen, kopfüber in den Teich springen, sich mit den Flügeln gegenseitig wärmen oder beim Klettern Abenteuer wagen - für Tod und Ente, die sich anfreunden, ist all das ein großes Vergnügen. Doch weil Sterben eben ein natürlicher Bestandteil jedes Lebens ist, kommt auch für die Ente der Tag, an dem sie die Welt verlassen muss - voller Sanftheit und mitsamt dem Publikum eingehüllt unter einem riesigen weißen Tuch.
Im Anschluss an die Vorstellungen sind die jungen Zuschauer eingeladen, auch mit dem Ensemble auf Tuchfühlung zu gehen. Wer will, kann mit Enten und Tod sprechen, sich die Musiker und ihre Instrumente aus der Nähe anschauen oder selbst im Bällchenbad eintauchen. Wann Vorstellungen sind, liest man wegen einiger Ausfälle am besten auf der Homepage stadttheater-giessen.de nach.