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»Lange Nacht« in der Gießener Volkshochschule

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Von: Christian Schneebeck

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© Christian Schneebeck

In der Volkshochschule wird die Nacht zum Tag gemacht. Zum 100. Geburtstag wird die ganze Breite des Bildungsprogramms präsentiert.

Zur Feier des Tages fliegen die Haare durch die Botanik. Im Dienste der Bildung, das versteht sich von selbst. Schließlich headbangen Susanne Koller und ihre fünf Mitstreiterinnen am Freitagabend nicht bei irgendeinem Heavy Metal-Konzert, sondern im Kursraum namens »Botanik« an der Gießener Volkshochschule (VHS). »Metalza« heißt die auf den ersten Blick etwas eigenwillige Mischung aus Kampfsport-Workout, Fitnesstraining, Aerobic und Tanz, die neuerdings an der VHS zu erlernen ist. Die »Lange Nacht der Volkshochschule«, die bundesweit an etlichen Orten gleichzeitig stattfindet, nutzt Erfinderin Koller, um einen Einblick in diese Sportart zu geben. »Sie sehen jetzt ein Beispiel, was für verrückte Kurse wir anbieten«, kündigt Programmbereichsleiterin Birgit Lesch-König den Auftritt an. Die Zuhörer lächeln. Minuten später kommen sie aus dem Staunen kaum mehr heraus.

Während im Erdgeschoss zu lauter Musik kräftig die Synapsen durchgeschüttelt werden, herrscht eine Etage weiter oben gespannte Ruhe. Kann sein, dass die eine oder andere Metalza-Sportlerin gleich noch einen Abstecher zu Sarah Häupl macht. Sie lehrt Kinesio-Taping. »Gegen akute oder chronische Schmerzen und zur Unterstützung bei sportlicher Betätigung« seien die hochelastischen Pflaster aus Baumwolle eine gute Wahl, liest man an der Tür. Ob heute schon Heavy Metal-Fans mit akuten Nackenproblemen bei ihr vorstellig wurden? Nein, sagt die Physiotherapeutin. Von Schulter-, Rücken- und eben Nackenschmerzen höre sie aber in der Tat besonders oft.

Festakt im November

Häupls erster VHS-Workshop steigt übrigens kommenden Samstag. Metalza und Kinesio: Nach 100 Jahren ist die traditionsreiche Gießener Bildungseinrichtung mit ihrem Angebot offenbar weiter am Puls der Zeit. Zur Eröffnung der »Langen Nacht« hebt Stadträtin Astrid Eibelshäuser die Bedeutung der VHS als Stätte gelebter »Bildung für alle« hervor. Leiterin Waltraud Burger erinnert daran, dass in Gießen eine der ältesten Volkshochschulen der Republik beheimatet sei. Außerdem wirbt sie für den Festakt zum 100-jährigen Bestehen am 15. November. Dann startet das Publikum ins abendliche Programm. Interaktiv und integrativ solle es sein, betont Burger. Getreu dem Motto: »Zusammenleben. Zusammenhalten.«

Zusammenhalten gehört auch bei Renate Vogl zu den obersten Prämissen. Sie demonstriert, dass Tiffany-Glaskunst keineswegs immer lange dauert. »Höchstens 30 Minuten« brauche es heute, um ein selbst geschaffenes Kunstwerk mitzunehmen, verspricht sie. Rot-weiße Stiefelchen aus zwei Teilen sollen dafür ausgeschnitten und verlötet werden. Mit etwas Glück halten sie am Ende fest zusammen. Maria Legiec-Abramow hat aber zunächst Pech - und schneidet sich direkt in den Finger. Ein paar Tropfen Blut für die Kunst, das nennt man wohl Leidenschaft. Erst leiden, dann schaffen: Das fertige Stiefelchen entschädigt für die Verletzung.

Vollkommen verletzungsfrei heimst die kleine Leni unterdessen ihr zweites Kunstwerk ein. Alessandro Oliviero hilft dem Mädchen beim Fächer bemalen. Lenis rechten Handrücken schmückt bereits ein ziemlich auffälliges Henna-Motiv. Was der jungen Fachfrau besser gefällt? Die braune Handbemalung, meint sie. Nein, der bunte Fächer. Ach Quatsch: »Beides!« Symbolkräftiger ist auf jeden Fall das Henna-Bild. In Indien hätten solche Tattoos rituelle Bedeutung, erklärt Bina Esmaeil, während ihre Schwester Banu gerade malend den allgemeinen Andrang bewältigt. Ihnen werde »eine reinigende Wirkung« zugeschrieben und sie sollten »vor bösen Blicken« schützen.

Am Freitag dienen die abwaschbaren Motive zur Zierde. Dem neunjährigen Awesta Yardegeaa und der fünfjährigen Maneli Esmaeilnasab gefällt’s. Und das ist, Bildung hin oder her, nun mal das Allerwichtigste. Beim Henna-Tattoo, bei der Glaskunst und vermutlich sogar beim Headbanging.

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